Papier ist ungeduldig

Sicherheit – So inhaltlich richtig die Schiffssicherheitscodes der IMO sowie die Kundenanforderungen sind – sie verursachen bei Tankreedereien wie Essberger einen hohen Aufwand für die Dokumentation und Inspektionen.

Von Stefan Klein

Vor rund 25 Jahren wurde John T. Essberger (JTE) als erstes deutsches Reedereiunternehmen überhaupt nach der Qualitätsnorm ISO 9001 zertifiziert, später kamen andere Unternehmensteile wie die DAL Schiffahrtsagentur hinzu. Als Zertifizierer wurde Lloyd‘s Register Quality Assurance (LRQA) ausgewählt. Ende 2015 wurde Essberger nun für diese Pionierleistung mit dem "LRQA Crystal Award" ausgezeichnet.

"Die Zertifizierung beruhte auf Kundenanforderungen, die Ende der 80er Jahre aufkamen, wie wir als Reederei unseren Qualitätsstandard dokumentieren und nachweisen", erklärt Dierk Herrmann. Er hat den langwierigen Zertifizierungsprozess seit 1991 begleitet, als klar wurde, dass dies eine Aufgabe für einen Seefahrer wie ihn war, nicht für einen BWLer. Heute ist Herrmann Corporate SSHEQ-Manager der JTE/DAL-Unternehmensgruppe. SSHEQ steht für Safety, Security, Health, Environment & Quality – die Stabsstelle ist unter Hermanns Leitung für eine Vielzahl von Unternehmensbereichen zuständig.

Der damals neue Ansatz der etablierten Öl- und Chemiekonzerne, ein dokumentiertes Qualitätsmanagementsystem zu erstellen, war berechtigt und letztlich fürs eigene Unternehmen hilfreich, sagt Herrmann heute. "Der Transport von Chemikalien war und ist ein hoch komplexer Prozess." Qualitätsmanagement lasse sich nicht nur auf den beliebigen, dehnbaren Begriff Qualität reduzieren, es gehe vor allem darum, Abläufe im Unternehmen reproduzierbar zu machen nach dem Motto: Schreibe die Prozesse nieder und prüfe sie regelmäßig auf Abweichungen, um so eine ständige Verbesserung in Sachen Kundenzufriedenheit, aber auch Sicherheit zu erreichen.

ISO 9001 der Anfang von allem

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems war eine wichtige, langfristig wirkende Entscheidung der Reederei Essberger. Sie bildete die Grundlage für weitere Zertifizierungen bzw. zur Erfüllung inzwischen hinzugekommener gesetzlicher Auflagen: So gestaltete sich die Einführung des International Safety Management (ISM) Code im Jahr 1998 für Tank- und Passagierschiffe relativ unproblematisch, ebenso die Einführung des International Ship and Port Facility Security (ISPS) Code 2004, der Maritime Labour Convention (MLC) 2006 oder eines Umweltmanagementsystems (ISO 14001), so Herrmann. "Die Grundlagen eines Managementsystems sind immer identisch."

So inhaltlich berechtigt die genannten Codes der International Maritime Organisation (IMO) grundsätzlich sind – sie verursachen eine Menge Aufwand auf Schiffsseite. "Wir haben über alle Rechtsbereiche jährlich mindestens vier längere Audits pro Schiff", erzählt Herrmann. Bei den sich bis zu einem Tag hinziehenden Inspektionen ist die Besatzung sehr gefordert; es ist schon eine Herausforderung, allein die nach MLC vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten. Dies ist ein Grund dafür, dass auf Essberger-Tankern größere Schiffsbesatzungen als nach dem Safe Manning Certificate vorgesehen Dienst tun. Bei kleineren Chemietankern bis zu einer Tragfähigkeit von 3.000 dwt sind es 13 Seeleute, bei größeren Tankern bis 8.500 dwt sind es 15.

Schiffsbewertungen der Industrie

Was den ohnehin schon hohen Aufwand nochmal gehörig erhöht, ist das so genannte Vetting, die Sicherheitsüberprüfung von Schiffen durch große Chemie- und Mineralölkonzerne. Auslöser bzw. Beschleuniger waren Schiffsunglücke wie das der "Exxon Valdez" im Jahre 1989 oder der "Erika" zehn Jahre später, nach denen die jeweiligen Ladungseigner, Exxon bzw. Total, zu hohen Strafen verurteilt wurden. "Die Kundenanforderungen sind in den letzten 20 Jahren stetig gestiegen", konstatiert Herrmann. Viele Verlader machen eine positive Bewertung beim Vetting zur Voraussetzung dafür, dass der Carrier überhaupt einen Transportauftrag erhält.

Obwohl es im Prinzip jedem Unternehmen selbst überlassen bleibt, wie es seine maritimen Transportdienstleister abfragt, hat sich bei der Chemieindustrie das Integrated Ship Inspection System des Chemical Distribution Institute (CDI) und bei der Ölindustrie das Ship Inspection Report Programme (SIRE) des Oil Companies International Maritime Forum (OCIMF) als jeweiliger Standard durchgesetzt. Die Essberger-Tanker werden nach beiden Systemen mit jeweils sehr detaillierten Fragekatalogen bewertet. Die Inspektoren kommen entweder direkt von der Indus­trie oder sind mit eigener Firma dafür zugelassen.

Um den Kunden- sowie den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, beschäftigt Essberger mit der SSHEQ-Abteilung ein Team von neun Leuten, mit Herrmann an der Spitze. Allein zwei Mitarbeiter schulen die Schiffsbesatzungen für die In­spektionen. Die sieben anderen kümmern sich um die Einhaltung der gesetzlichen Auflagen, schreiben bzw. aktualisieren die mehr als 10 Handbücher sowie 60 Checklisten und bearbeiten jährlich rund 1.000 Reports (u.a. über sicherheitsrelevante Zwischenfälle, Near Misses, Verbesserungsvorschläge). "Sicherlich ist die Abarbeitung einiger, weniger Checklisten vor dem Transport ein Muss", sagt Herrmann. Es scheine jedoch so, dass das Ausfüllen vieler Dokumente ein rein formaler Akt ist, nur um des Papier willens. "Letztlich geht es doch aber darum, Chemikalien sicher von A nach B zu bringen."

Flotte aus Edelstahl

John T. Essberger verfügt derzeit über 22 Tanker, die an Europas Küsten zwischen den Werken großer (Petro-)Chemiehersteller und oft auch unabhängigen Tanklagerbetrieben verkehren. In den aus Edelstahl bestehenden Ladetanks kann ein breites Spektrum von bis zu 300 verschiedenen Produkten – von Säuren und Laugen über chlorierte Kohlenwasserstoffe und giftige Stoffe wie Phenol bis hin zu Stoffen für die Lebensmittelindustrie – befördert werden. "Der Werkstoff Edelstahl hat gegenüber Tankbeschichtungen wie Epoxidharz Vorteile bei der Instandhaltung und der Tankreinigung", sagt Herrmann. Nach jedem Löschen werden die Ladetanks standardmäßig gereinigt.

Die auch Parceltanker genannten Schiffe sind sehr flexibel einsetzbar, es könnte theoretisch jeder der bis zu 20 Ladetanks mit einem anderen Produkt befüllt werden. Im Durchschnitt finden sich drei bis vier Produkte zugleich an Bord. Früher waren noch Flotten mehrerer Tankreedereien in so genannten Pools zusammengelegt, um gerade am Spot-Markt noch flexibler auf Nachfragen reagieren zu können – diese Zeiten aber sind vorbei.

Essbergers Tanker vom IMO-Typ II werden seit Jahrzehnten mit einer Doppelhülle mit einem Zwischenraum von zirka einem Meter gebaut. "Wir gehen damit über die gesetzlich geforderten 800 Millimeter Abstand zwischen den beiden Wandungen hinaus", so Herrmann. Dieser Vorteil nützt aber nichts, wenn die Schiffe ein bestimmtes Alter von zirka 25 Jahren erreicht haben. Die Reederei, die ihre Tanker selbst bei den Werften (vorzugsweise in Europa) in Auftrag gibt und anschließend selbst befrachtet, bekommt diese dann einfach nicht mehr voll – die Kunden wollen jüngere Schiffe, selbst wenn die Edelstahl-Tanks auch nach 20 Jahren Dienst noch glänzen wie neu. Dann bleibt der Reederei nur der Verkauf auf andere Kontinente, wo die Anforderungen nicht so hoch sind.

Problem Piraterie

Auf anderen Kontinenten gibt es seit Jahren ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko: Piraterie. Zwar fährt die Essberger-Gruppe dort keine Tanker, wohl aber Bulk- und Containerschiffe. "Wir hatten in der Vergangenheit schon Versuche von Überfällen zu verzeichnen", so Herrmann. Von Schiffs- bzw. Mannschaftsentführungen war man aber im Gegensatz zu anderen, auch deutschen Reedereien nicht betroffen. Die Essberger-Gruppe reagierte auf die Überfälle im Indischen Ozean mit bewaffneten Sicherheitsleuten und baulich erschwertem Zugang an Bord, zudem werden besonders riskante Fahrtgebieten wie Westafrika gemieden.

(aus: gela 04/16, www.gefaehrliche-ladung.de)

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