Zusammen gegen die Unsicherheit

Ladungsunfälle – Trotz des harten Wettbewerbs in der globalen Seeschifffahrt arbeiten große Containerreedereien beim Thema Sicherheit in einer für die Branche einzigartigen Kooperation zusammen.

(skl) Mit einem ganzheitlichen Ansatz, alle von Ladungen ausgehenden Gefahren auf Seeschiffen einzudämmen, wurde 2011 das Cargo Incident Notification System (CINS) gegründet. Gründungsmitglieder waren fünf der weltgrößten Containerreedereien: CMA-CGM, Evergreen, Hapag-Lloyd, Maersk Line und MSC. Ihr erklärtes Ziel: Durch das gemeinsame Sammeln und Teilen von Informationen über Unfälle und Zwischenfälle auf Hoher See soll deren Zahl langfristig sinken. Die Analyse der Unfälle ist dabei nicht auf Gefahrgut beschränkt; auch von anderen Gütern, denen keine potenziellen Gefahren wie Entzündbarkeit, Toxizität oder Korrosivität innewohnen, bestehen in der Schifffahrt Risiken, wenn damit falsch umgegangen wird.

Mittlerweile gehören dem CINS-Netzwerk, das seit kurzem auch als eigenständige, unabhängige Organisation fungiert, 14 Reedereien an. Diese verfügen zusammen über mehr als 60 Prozent der weltweiten Containerschiffskapazitäten. Hinzu kommen noch ein paar beratende oder ehrenamtliche Mitglieder wie der in Sachen Seetransportsicherheit sehr aktive Schiffsversicherer TT Club oder die Container Owners Association (COA).

Die Mitglieder haben Zugriff auf das Herzstück von CINS: die Datenbank mit den Vorfällen, die sie andererseits natürlich auch mit den erfassten Leckagen, falsch deklarierten Ladungen, Verpackungs-, Ladungssicherungs- und Stauungsfehlern usw. zu füttern haben. Die Daten sind aus wettbewerbsrechtlichen Gründen anonymisiert, was die Versender der Ladungen angeht. Erfasst werden die Güterart, ggf. die Verpackung, der Transportweg, die Art des Vorfalls und die Ursache; zudem wird die Schwere eines Unfalls mit einem einfachen Rating bilanziert.

Bestimmte Vorfälle führen bei den CINS-Mitgliedern schnell zu entgegenwirkenden Maßnahmen. Die Organisation formuliert zudem auf Basis des immer umfangreicher werdenden Datenmaterials Empfehlungen wie etwa für die regelmäßigen IMDG-Code-Amendments – sofern bestimmte Missstände von Dauer sind und eher einer grundsätzlichen Maßgabe statt operationaler Maßnahmen bedürfen. Dies betrifft nicht zuletzt das Thema Schulung/Unterweisung von Personal beim Packen und (Ladungs-)Sichern von Containern.

Im Jahr 2014 wurde die Datenerfassung der Un-/Zwischenfälle auf ein neues Niveau gehoben – insofern ist die Statistik der Unfallarten und -ursachen für das Jahr 2014 sehr aussagekräftig (siehe Grafiken). Je mehr Vorfälle erfasst werden, desto größer wird der Nutzen der Datenbank und ihre Zuverlässigkeit. Einige der beteiligten Reedereien haben inzwischen eine regelmäßige Abfrage und Auswertung der Datenbank zum Bestandteil ihrer regulären Management-Meetings gemacht: es wird dann geschaut, ob die sich aus den Vorfällen abzuleitenden Trends auch für die eigene Situation gelten und daraus Handlungsbedarf entsteht.

Art der in CINS erfassten Vorfälle für 2014

Art der in CINS erfassten Vorfälle für 2014

 

Ursachen für die Unfälle/Zwischenfälle

Ursachen für die Unfälle/Zwischenfälle

Insbesondere machten den CINS-Verantwortlichen im vergangenen Jahr Leckagen zu schaffen, dabei explizit auch solche, die von festen Stoffen, meist Schütt- und Rieselgütern, ausgingen. Dies betraf sowohl (schlecht) verpackte Ware als auch unverpackte Ware. Ein Großteil der Vorfälle ist allerdings auf das unzureichende Verpacken von Stückgütern (einschließlich Ladeeinheitenbildung und Ladungssicherung) zurückzuführen.

Wie erwähnt, erfasst CINS auch Ladegüter, die nicht unter die Gefahrgutvorschriften fallen. "Im vergangenen Jahr machten diese 75 Prozent an allen CINS-Vorfällen aus", so der derzeitige CINS-Chairman Uffe Ernst-Frederiksen von Maersk. Natürlich sei aber auch klar, dass von den anderen 25 Prozent – Ladungen mit gefährlichen Gütern – ein potenziell höheres Risiko ausgehe.

Insbesondere für Güter, die schwierig zu sichern sind – beispielsweise Stahl-Coils – bietet CINS Versendern praktische Hilfe an. Schließlich teile man beim weltumspannenden Seetransport eine große Herausforderung, so Ernst-Frederiksen. Der Kern der Initiative sei der Wunsch nach Qualität: sowohl bezogen auf die Güter selbst, die pünktlich in unversehrtem Zustand die Empfänger erreichen sollten, als auch auf die Kommunikation zwischen den Transportbeteiligten auf Basis korrekter Informationen wie gerade Sicherheitsdatenblättern. Letzten Endes gehe es aber darum, neben Warenwerten auch Menschenleben sowie die Umwelt besser zu schützen.

 

Ein Wachhund für Gefahrgut

Ungenau, falsch oder gar nicht deklarierte Gefahrgüter bergen ein hohes Risikopoten­zial für Crews, Schiffe, Umwelt und andere Ladung an Bord. Wenn Container aufgrund von Falsch- bzw. Nicht-Deklara­tionen falsch gehandhabt werden, kann es an Land und vor allem auf See schnell sehr problematisch werden. Dies zeigten u.a. die schweren Schiffsbrände auf:

  • "Hanjin Pennsylvania" (2002, Indischer Ozean, 2 Tote) – verursacht durch einen undeklarierten Container mit Magnesiumgranulat,
  • "Hyundai Fortune" (2006, Rotes Meer) – wohl ausgelöst durch Container mit unterklassifizierten Feuerwerkskörpern,
  • "MSC Flaminia" (2012, Atlantischer Ozean, 3 Tote) – wahrscheinlich verursacht durch ungenügende Weitergabe von Informationen über den Umgang mit Tankcontainern mit Divinylbenzen.

Die genaue Anzahl der – ob bewusst oder unbewusst – falsch oder gar nicht deklarierten Gefahrgutladungen in Containern war bislang nur schwer abschätzbar. Wie immer in solchen Fällen wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Deutschlands größte Container-Reederei, Hapag-Lloyd, legte nun vor kurzem erstmals genaue Zahlen vor. Demnach hat die Reederei im vergangenen Jahr 2.620 Fälle von falsch deklariertem Gefahrgut entdeckt, in denen die Verschiffung verhindert werden konnte. Insgesamt untersuchte die Gefahrgut-Abteilung mehr als 162.000 Verdachtsfälle. Diese wurden dank einer neu entwickelten Watchdog-Software erfasst und dann von der Abteilung bewertet bzw. recherchiert.

Das Watchdog-Programm, das kontinuierlich die Ladungsdaten von Hapag-Lloyd nach Auffälligkeiten durchsucht, ist derzeit mit mehr als 6.000 Suchbegriffen gefüttert, die sich auf sechs Kataloge verteilen: Gefahrgut allgemein, Synonyme/Handelsnamen, Proper Shipping Names, Militär, Abfall sowie Radioaktiv. Bis ein Verdachtsfall – eine Kombination von Suchwort und fehlender Gefahrgutkennzeichnung bzw. -deklaration – nicht geklärt ist, wird der betreffende Container nicht verladen.

"Angesichts der jährlich rund sechs Millionen transportierten Standardcontainern von Hapag-Lloyd mag die Quote falsch deklarierter Gefahrgutladungen insgesamt nicht allzu groß erscheinen", sagt Ken Rohlmann, Leiter der Gefahrgutabteilung von Hapag-Lloyd. Wenn man aber bedenke, dass ein einziger falsch deklarierter Container ausreiche, um eine Katastrophe wie die oben genannten auszulösen – etwa wenn er als Nicht-Gefahrgut auf einer falschen Stauposition auf dem Schiff positioniert ist –, werde die Brisanz klar, die von Falsch- oder Nicht-Deklara­tionen ausgeht. Aus diesem Grund hatte Hapag-Lloyd als einer der Marktführer für interkontinentale Gefahrguttransporte schon seit langem nach einer Lösung gesucht, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen bzw. akute Risiken zu reduzieren.

Ohne richtige Handhabung kann selbst harmlos klingende Ladung zu einer Lebensgefahr werden – so etwa Styropor. Auf den Fotos sieht man einen durch Explosion deformierten Container (in diesem Fall nicht von Hapag-Lloyd). Die Ausgasungen der Polymer-Kügelchen hatten sich beim Öffnen des Containers entzündet. Es ist ein eindrückliches Beispiel dafür, weshalb nicht nur die korrekte Deklaration aller potenziell gefährlichen Güter lebenswichtig ist, sondern auch die Suche nach den Schwarzen Schafen. "Wenn wir solche falsch oder gar nicht deklarierten Ladungen ablehnen, versucht mancher Verlader, die Container nach gleicher Masche bei einer anderen Reederei zu buchen", so Rohlmann. Die Thematik sei eine der zentralen Herausforderungen im Gefahrgut-Bereich der Container-Linien­schifffahrt. Je sicherer das Gesamtsystem Seetransport werde, desto besser für alle Transportbeteiligten.

So zeigen dann laut Rohlmann auch andere Reedereien sowie Hafen- und Sicherheitsbehörden großes Interesse am Watchdog. Hapag-Lloyd hat das Programm seit der Einführung im Jahr 2011 beständig weiterentwickelt. Entscheidend für die Programmierung der effektiven Suchroutinen war die langjährige Erfahrung der Gefahrgut-Abteilung, diese wurde vor fast 50 Jahren als erste überhaupt in der Linien­schifffahrt gegründet. Seitdem sind interne Gefahrgut-Vorschriften von Hapag-Lloyd wiederholt in öffentliche Regelwerke eingeflossen.

Deformierter Container von außen und innen Ausgasungen von Polymerkügelchen wurden entzündet.

Deformierter Container von außen und innen, nachdem Ausgasungen von Polymerkügelchen entzündet wurden.

(aus: gela 06/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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