Die Wasserschützer

Report – Die Kontrollarbeit der Hamburger Wasserschutzpolizei (WSP) fördert in schöner Regelmäßigkeit bestimmte Gefahrgutproblematiken zutage. Nicht selten führt dies zu Anpassungen im IMDG-Code.

Sicherheit bei der Behälterreinigung

(skl) Blaulicht ist Pflicht, wenn der Einsatzwagen der Hamburger Wasserschutzpolizei (WSP) aufs Terminal fährt. Das hat nichts mit Gefahr im Verzug oder akutem Einsatz zu tun – das Blaulicht vermindert nur das Risiko, von den krakenhaften Van Carriern übersehen und überrollt zu werden. Die hochaufgeschossenen Gefährte surren auf meterlangen "Beinen" über die Reihen dreifach übereinander gestapelter Container, um sich auf diese Weise eine der bunten Stahlboxen von oben zu greifen.

Die Kontrollen der Wasserschutzpolizei auf den vier großen Hamburger Containerterminals finden unangemeldet statt. Die Zufahrt zu den heutzutage streng gesicherten Umschlagplätzen erfolgt automatisch per Chipkarte. "Die Gefahrgut-Container, die wir bei einer Kontrolle öffnen, suchen wir nach bestimmten Gesichtspunkten aus", sagt Lutz Dreyer, Leiter der Zentralstelle Gefahrgutüberwachung WSP032. Da wäre zum Einen das äußere Erscheinungsbild: ist die Gefahrgutkennzeichnung mangelhaft, widersprüchlich oder legt Verstöße gegen Trennvorschriften nahe, wird der "verdächtige" Kandidat aufgemacht. Dies gilt auch bei mechanischen Schäden am Container. Mit dem großen Bolzenschneider ist das Öffnen eine Sache von ein paar Sekunden – und das fingerdicke Metallsiegel, das nach der Kontrolle ersetzt wird, fällt zu Boden.

Auf der anderen Seite können sich die WSP-Kontrolleure mit Hilfe des vor rund 20 Jahren eingeführten Gefahrgut-Informations-System (Gegis) bestimmte Container – etwa solche mit potenziell besonders gefährlicher Ladung – vorab herauspicken. Denn alle schiffs- und landseitig in den Hamburger Hafen eingebrachten Gefahrgutcontainer müssen von den verfügungsberechtigten Transportbeteiligten über Gegis elektronisch bei den Hafenbehörden angemeldet werden, denen auf diese Weise im Schadensfall alle relevanten Gefahrgutdaten sofort zur Verfügung stehen.

Die WSP-Beamten haben Gegis über Internet und Laptop bei den Kontrollen immer dabei; das System zeigt genau, wo welche Gefahrgutcontainer auf dem Terminal stehen. "Zu einem gewissen Teil suchen wir uns die Container aber auch nach dem Zufallsprinzip aus", sagt Rüdiger Rohland, der für die Kontrollen des direkt neben den beiden größten Containerterminals gelegenen WSP-Kommissariats 1 "Waltershof" verantwortlich ist.

Praktischerweise stehen die Gefahrgutcontainer an den Enden der Containerreihen, denn gemäß Landesgefahrgutverordnung Hafen Hamburg (LGGVHH) müssen die Containertüren jederzeit zu öffnen sein. Die Beamten kommen also recht leicht ran. Bevor ein Container geöffnet wird, muss einer der Kontrolleure zum Selbstschutz die Atmosphäre im Container prüfen. Hinter der Türdichtung schiebt er die Lanze eines Messgeräts in die Box und prüft die Sauerstoffkonzentration und desweiteren, ob eventuell eine explosionsfähige Atmosphäre, flüchtige organische Substanzen oder Phosphorwasserstoff vorhanden sind. In diesen Fällen bleibt der Container zu und ein fachkundiger Chemiker wird herangezogen, um den Container freizumessen bzw. das Lüften an einem Begasungsplatz zu überwachen.

"Erhöhte Schadstoffkonzentrationen sind für uns nach wie vor ein großes Problem", sagt Dreyer. Das Thema kam erstmals vor rund einem Jahrzehnt auf, als im Hamburger Hafen reihenweise mit Feuerzeugen vollgepackte Container aus Ostasien festgestellt wurden, in denen Werte nahe oder gar über der Unteren Explosionsgrenze (UEG) gemessen wurden. Die gefährlichen Atmosphären darin kamen zustande, weil vor allem Einweg-Feuerzeuge aufgrund ihrer Billigbauweise ausgasten und Butan mit unzulässig hohen Leckraten freisetzten, während die Lüftungsschlitze der Container meist zugeklebt waren.

"Es hätte damals unter Umständen schon eine rostige Containertür für eine Entzündung gereicht", so Dreyer. Nachdem der Inhalt einiger Container auf Anweisung der Polizei per Hand in gut und schlecht (bzw. dicht und undicht) sortiert wurde und Teile der Ladungen in die Müllverbrennungsanlage wanderten, machten neben den Behörden auch die Importeure Druck. Die Hersteller in Fernost steigerten schließlich die Qualität auf ein tolerierbares Maß.

Selbstschutz immer wichtiger

Eine Gefährdungsquelle, die den Arbeits- bzw. Selbstschutz bei der WSP nochmals in den Vordergrund rückte, waren kurze Zeit später die begasten Container. Ab 2004 galt der auf den Schutz heimischer Arten gerichtete IPPC-Standard (International Plant Protection Convention). Folge davon war, dass Waren wie Möbeln oder Textilien, aber auch Paletten und Stauholz im Container ein giftiges Begasungsmittel beigegeben wurde, um diese garantiert schädlingsfrei zu machen. Auch hier waren es vor allem Container aus Fernost, die Kontrollbehörden oder Empfängern (je nachdem, wer den Container hierzulande als Erster öffnete) einer unsichtbaren Gefahr aussetzten.

Doch auch dieses Problem hat sich, nachdem der IMDG-Code die Kennzeichnungspflichten für begaste Container verbesserte, entschärft. Zudem setzen auch chinesische Importeure heute immer mehr hitzebehandelte Stauhölzer ein, um den IPPC-Standard zu erfüllen.

Die Schadstoff-Problematik hat sich inzwischen gewandelt: Es werden nicht mehr die ganz giftigen Stoffe wie Methylbromid festgestellt, dafür "behandeln" die Versender aber eine ganze Bandbreite an Gütern: Kartonagen werden mit Methanol besprüht, Schuhe mit Benzol usw. So soll die Ware haltbarer gemacht waren. Denn Container aus Fernost sind rund 30 Tage auf See, bis sie einen Nordseehafen erreichen, sie durchqueren dabei verschiedenste Klimazonen mit großen Temperatur- und Luftfeuchtedifferenzen. Und kein europäischer Verbraucher möchte angeschimmelte Lederschuhe.

Bei ihren Schadstoffmessungen am Container stoßen die Beamten immer wieder auf von außen nicht ersichtliche Stofffreisetzungen durch minderwertig hergestellte, schlecht gesicherte (und dadurch beschädigte) oder – wenn sie aus Kunststoff sind – permeierende Gefahrgutverpackungen. Dies betrifft mitunter auch Stoffe wie Magnesiumphosphid (UN 2011) oder Alu-Schmelze (UN 3170), die jeweils giftigen Phosphorwasserstoff freisetzen können. Darum wird die Konzentration dieses Gases immer vorab gemessen.

Doch auch bei eher unscheinbaren Gefahrgütern fördert die WSP Missstände zutage. So fielen vor einigen Jahren bei Polymerkügelchen (UN 2211), die in der Regel in Wellpappe-Oktabinern verpackt sind, auffällig hohe Werte bei Messungen auf die explosionsfähige Atmosphäre auf. Auch hier gab es eine hohe Ausgasung aus dem Ladegut, in diesem Fall wurde Pentan freigesetzt. Die Problematik wurde von der WSP über den Bund-Länder-Fachausschuss und das Bundesverkehrsministerium bis ins regelsetzende Sub-Committee on Dangerous Goods, Solid Cargoes and Containers (DSC) bei der International Maritime Organisation (IMO) hineingetragen. Für das 36. Amendment des IMDG-Code wurde dann beschlossen, dass die Kügelchen nur noch in belüfteten Containern bzw. in hermetisch dichten Verpackungen befördert werden.

Reedereien zwischen den Stühlen

Die Hamburger Wasserschützer stehen mit ihrer Tätigkeit am Ende der Kette – betrachtet man Importcontainer, die grundsätzlich mehr Probleme bereiten als Exporte. "Hier in Hamburg kann es unter Umständen zu spät sein", mahnt Dreyer. Besser wäre es, wenn in den Abgangshäfen bzw. bei den dortigen Buchungsagenten der Übersee-Carrier sorgfältiger gearbeitet würde. Letztlich bleiben gerade die Reedereien als Verfügungsberechtigte oft auf den Kosten sitzen, wenn die WSP ein Weiterbeförderungsverbot ausspricht und das Umstauen oder Umpacken eines Containerinhalts durch eine Fachfirma erforderlich wird – oder gar dessen Vernichtung, falls sich kein beförderungskonformer Zustand erreichen lässt. Und jeder zusätzliche Tag Verweildauer auf dem Terminal kostet Geld.

Häufig wollen in solchen Fällen – gerade bei niedrigen Warenwerten – Versender und Empfänger von dem Container nichts mehr wissen. Und einer Reederei fällt es schwer, sich die Umpack-, Säuberungs- oder Entsorgungskosten etwa von einem chinesischen Versender zurückzuholen. Zwar kann man diesen reedereiintern auf die Black List setzen, der Versender kann sich dann immer noch einen anderen Carrier suchen oder er deklariert sein Gefahrgut gar nicht mehr.

Immerhin tun sich die Reedereien (zum Beispiel beim Projekt "Cinsnet") verstärkt zusammen, um so etwas wie ein globales, gemeinsames Vorgehen zu erreichen und solch Schwarzen Schafen weltweit keine Umdisponierungen mehr zu ermöglichen. Denn Beförderungsverbote durch einzelne Carrier wie jüngst für Klasse 8-Fassware aus Indien führen nur zu Verschiebungen der Missstände, nicht zu deren Behebung. "Die Unternehmen sitzen da vielleicht sogar am längeren Hebel", meint Dreyer, und gibt zu, dass es schwerfällt, einen Bußgeldbescheid in China zu vollstrecken.

Gefahrgutstatistik im Hafen

Im Hamburger Hafen sind laut Gegis-Statistik im vergangenen Jahr fast 200.000 Gefahrgutcontainer umgeschlagen worden. Die Zahl stieg 2012 sprunghaft an, weil die UN 3166 (Verbrennungsmotor mit Antrieb, sprich Pkw) hinzukam. Der Anteil der Gefahrgüter am Gesamtumschlag von containerisiertem Stückgut lag wie in den Vorjahren bei rund 3,5 Prozent, am meisten wurden Güter der Klassen 3 und 9 umgeschlagen (jeweils 27 Prozent), gefolgt von Klasse 8 (14 Prozent). Die WSP hat 2012 zirka 3.800 Container kontrolliert, das sind rund zwei Prozent aller Gefahrgutcontainer. Zwei Drittel davon wurden beanstandet, allein bei jedem zweiten Container waren die Kennzeichnung und/oder die Ladungssicherung mangelhaft.

Die Wasserschützer kontrollieren unangemeldet aber auch an Bord von Containerschiffen (sie kontrollieren übrigens auch auf Tankschiffen und Bulkern sowie Gefahrgüter auf Lkw und auf der Hafenbahn). Auf den Schiffen können die Container mangels Platz nicht inspiziert werden, wohl aber deren Stauung. Dabei ist nicht nur der IMDG-Code maßgeblich, sondern auch das Document of Compliance for the Carriage of Dangerous Goods der Klassifikationsgesellschaft, in dem die spezifischen schiffbaulichen Regeln im Hinblick auf die Gefahrgutstauung festgelegt sind, die zuweilen restriktiver als der IMDG-Code sind.

"Wir gleichen an Bord die tatsächlichen Ladelisten bzw. Staupläne mit den IMO-Erklärungen der Versender ab", erklärt Dreyer. UN-Nummern wie 3082, für die keine besonderen Stauvorschriften gelten, bleiben bei dem mit Hilfe eines Stauplan-Formulars durchgeführten Check von vornherein außen vor. Bei den Bordbesuchen – meist haben es die Wasserschützer hier mit dem für die Ladung zuständigen Ersten Offizier zu tun – stoßen die Beamten auf vergleichsweise wenig Verstöße. Falls doch, müssen die hier bis zu 18-fach übereinander stehenden Boxen in etlichen Moves der Containerbrücken umgestaut werden. Dreyer: "Die Schiffe sind heute so riesig, dass die zu trennenden Gefahrgüter meist ohne Probleme weit genug voneinander entfernt untergebracht werden können."

Mängelstatistik*

Falsche Plakatierung des Containers: 52 %
Mangelhafte Ladungssicherung: 49 %
Beschädigung der Versandstücke: 22 %
Falsche Kennzeichnung Versandstücke: 12 %
Verstöße gegen CSC-Übereinkommen: 4 %
Falsche Angaben in Papieren: 3 %
Schwere bauliche Mängel: 2 %

* Containerkontrollen der Wasserschutzpolizei Hamburg 2012; mehrere Mängel pro Container möglich

(aus: gela 04/13, www.gefaehrliche-ladung.de)

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