Die Pflicht als Chance zur Kür

Herausforderung – Um dem bereits sehr präsenten Mangel an Fahrpersonal zu begegnen, bedarf es nicht allein einzelner Maßnahmen zur Imageverbesserung oder gesetzlicher Ausbildungsvorschriften.

(Emilia Poljakov, Talke, Hürth) Mitarbeiter zu befähigen, ihre Aufgaben so erfolgreich und effizient wie möglich zu bewältigen, sollte ein vitales Grundinteresse aller Unternehmen sein. Unabhängig davon sieht sich der Gesetzgeber in der Pflicht, je nach Art und Umfang der Anforderungen, eine ausreichende Qualifikation der Mitarbeiter – wie beispielsweise in Unterweisungs- und Ausbildungspflichten nach ADR 1.3 oder 8.2 – verbindlich zu regeln. Bereits vor mehr als 10 Jahren erschien es der europäischen Gemeinschaft notwendig, auch im Bereich der Qualifikation und Weiterbildung von Berufskraftfahrern mit Richtlinie 2003/59/EG (Berufskraftfahrerrichtlinie) normativ tätig zu werden.

Die nationale Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland folgte 2006 mit dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG). Und tatsächlich: es veränderte den Zugang zum Kraftfahrerberuf grundlegend. Denn seitdem reicht der Erwerb einer entsprechenden Fahrerlaubnis nicht mehr aus, um mit Fahrzeugen über 3,5 t zGM als Berufskraftfahrer tätig zu werden.

Nach einer Übergangsfrist ist für Berufseinsteiger ohne bestehende Nutzfahrzeugfahrerlaubnis seit September 2009 der Erwerb einer so genannten Grundqualifikation gesetzlich vorgeschrieben. Um diese zu erlangen, stehen dem angehenden Kraftfahrer drei Möglichkeiten offen:

  • Eine 3-jährige Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer,
  • das Ablegen einer umfangreichen "Zulassungsprüfung" in Theorie und Praxis, sowie
  • die so genannte beschleunigte Grundqualifikation.


Letztere erfordert die Teilnahme an einer mindestens 140 Zeitstunden umfassenden Schulung und beinhaltet neben den vorgeschriebenen theoretischen Themen auch Praxiseinheiten. Im Anschluss daran ist eine theoretische Prüfung vor der jeweiligen Industrie- und Handelskammer abzulegen. Die beschleunigte Grundqualifikation ist die in der Branche am häufigsten gewählte Zugangsart für den Kraftfahrerberuf.

Nun läuft auch der Countdown für gewerbliche Kraftfahrer ab, die bereits vor 2009 einen entsprechenden Führerschein besaßen: Von einigen Ausnahmen abgesehen müssen sie bis zum 10. September 2014 nachweisen, dass sie an der 35-stündigen Weiterbildung teilgenommen haben und dies auch in ihrem Führerschein eintragen lassen.

Höchste Zeit also für ein erstes Fazit und die Fragen, welche positiven Impulse die neuen Vorschriften schaffen konnten und wo es in der betrieblichen Praxis noch klemmt.

Nach Überzeugung der EU war die Einführung einer solchen Regelung vor allem dadurch notwendig geworden, weil sich die Anforderungen an den Kraftfahrer laufend weiterentwickelten, während die Mehrheit der Kraftfahrer innerhalb der EU ihren Beruf weiterhin ausschließlich auf der Grundlage ihres Führerscheins ausübte. Tatsächlich sind die Anforderungen an das qualitativ hochwertige, sichere und umweltbewusste Arbeiten eines Kraftfahrers so hoch wie nie: Kraftfahrer stehen als Profis für einen reibungslosen Transport, ein sicheres Miteinander im Straßenverkehr und sind kompetente Ansprechpartner für die Kunden an den Be- und Entladestellen.

Dazu kommen umfangreiche gesetzliche Anforderungen und nicht zuletzt auch die bis ans Maximum belastete Infrastruktur. Nur durch die umfangreiche Fachkenntnis und ein professionelles Zeitmanagement des Kraftfahrers können Transportabläufe noch wirtschaftlich und regelkonform durchgeführt werden. Doch neben dem Ziel, eine Qualitätssicherung für den Kraftfahrerberuf sicherzustellen und damit einhergehend auch die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern, verbindet die Legislative eine weitere Hoffnung mit der Einführung der Berufskraftfahrerrichtlinie: nämlich dass über eine Aufwertung des Berufsstandes auch vermehrt Berufsanfänger wieder den Weg in die Branche finden.

Nachwuchsgewinnung von Berufskraftfahrern

Eine solche Entwicklung wäre in der Tat bitter nötig, denn ausgebildete Berufskraftfahrer werden immer mehr zur Rarität. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veröffentlichte 2008 im Rahmen einer Untersuchung zur Aus- und Weiterbildung von Kraftfahrern, dass das Durchschnittsalter des Fahrpersonals, abhängig von der Fahrzeugklasse, zwischen 43 und 48 Jahren liegt. Dementsprechend scheiden allein aus Altersgründen Jahr für Jahr über 20.000 Fahrer aus der Erwerbstätigkeit aus, während die mit dem Lkw transportierte Gütermenge weiter steigt. Um diese Entwicklung auszugleichen, müssten pro Jahr rund 25.000 neue Fahrer ausgebildet werden, doch 2012 wurden nach Angaben der BAG Marktbeobachtung gerade 3.254 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Die meisten sozialversicherungspflichtig beschäftigen Kraftfahrer sind also Quereinsteiger, ihr formaler Bildungshintergrund weitgehend unbekannt.

Qualität und Professionalität in der Kraftfahrerweiterbildung

Ob sich die Nachwuchsgewinnung von Berufskraftfahrern, zweifelsohne eine der größten Herausforderungen der Logistikbranche in den kommenden Jahren, tatsächlich durch die Einführung von Pflichtschulungen verbessern lässt, ist zu bezweifeln. Dennoch ist es ein wichtiges Zeichen, dass zumindest die Notwendigkeit zur Aufwertung des Fahrpersonals auch auf politischer Ebene erkannt wurde.

Doch wie so oft bei der Umsetzung guter Ideen, steckt der Teufel im Detail: Obwohl die möglichen Schulungsinhalte durch die allgemein gehaltenen Formulierungen der Anlage 1 BKrFQV (bspw. "Optimierung des Kraftstoffverbrauchs") passgenau an die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten werden können, verstreicht diese wichtige Chance oft ungenutzt. In der Spitze werden dann Tankwagenfahrer sieben Stunden lang in Techniken des Niederzurrens unterwiesen.

Wer je erfahren musste, wie qualvoll eine schlecht organisierte oder präsentierte Schulung sein kann, weiß: der Erfolg jeder Personalentwicklung hängt von Qualität und Professionalität ihrer Durchführung ab. Für Kraftfahrerweiterbildungen bedeutet dies, dass zwingend tätigkeitsbezogene Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden müssen. Das war auch die Intention des Gesetzgebers, denn die Berufskraftfahrerrichtlinie fordert ausdrücklich die fundierte fachliche Kompetenz als Zulassungskriterium für die Ausbildungsstätten. Tatsächlich wird der didaktische Grundsatz der Verzahnung zwischen Theorie und Praxis allzu oft über Bord geworfen. In diesem Kontext sind vor allem Referenten ohne permanente Schulungserfahrung in den Nutzfahrzeugklassen problematisch. Statt aus den umfangreichen Präsentationen der Fachverlage sinnvoll Schwerpunkte zu setzen, müssen Kraftfahrer teilweise wahre "Dia-Shows" mit 180 Folien und mehr über sich ergehen lassen. Darüber hinaus fürchten unsichere Dozenten häufig den offenen Austausch mit den Teilnehmern und flüchten sich in reinen Frontalunterricht.

Dazu kommt, dass sich in den Köpfen vieler Praktiker insgeheim die Überzeugung festgesetzt hat, dass Theorie und Praxis aus zwei Welten stammen, die sich nicht immer zusammenführen lassen. Auch viele Fahrer haben das Gefühl, die vermittelten Schulungsinhalte nicht vollständig in die Praxis umsetzen zu können. Als kleines Beispiel sei hier das Rückwärtsfahren mit dem Lkw genannt: hier lernt schließlich schon der Fahrschüler, dass Rückwärtsfahren ohne Sicherungsposten zum direkten Misserfolg in der praktischen Prüfung führt.

Vorhandenen Spielraum zur Gestaltung nutzen

Doch nur Nörgeln gilt nicht: trotz zweifelsohne anspruchsvoller Rahmenbedingungen haben die Unternehmen durchaus Gestaltungsspielraum. Wer sich hier zurücklehnt, tut weder der Branche noch seinen Mitarbeitern einen Gefallen. Dabei gibt es bereits heute durchdachte Konzepte mit Vorbildcharakter.

So organisiert der Speziallogistiker Talke bereits seit den 1980er Jahren die Talke Intensive Personalschulungen, kurz TIPS. Diese Schulungen binden gleichermaßen die eigenen Fahrer, wie auch die der integrierten Subunternehmer mit ein. Als ein besonderes Highlight wird Talke dieses Jahr erneut ein spezielles Fahrsicherheitstraining für Tankwagen- und Silofahrer durchführen. Auf dem Gelände des Fahrsicherheitszentrums am Nürburgring machen verschiedene Themenstationen Wissen erlebbar: So können u.a. auf speziellen Übungstankwagen mit Stützrädern oder auf der Gleitfläche die Gesetze der Fahrphysik gefahrlos ausgetestet werden.

Mit Sprungwaage zur Vermittlung der Gelenkbelastung beim Hopsen aus der Fahrerkabine, Gurtschlitten und einem eigenen Themenstand wird beim diesjährigen Safety Day auch das Thema Gesundheitsmanagement stärker eingebunden und macht anschaulich, wie jeder Einzelne mit kleinen Verhaltensänderungen dem eigenen Körper etwas Gutes tun kann. Nicht zuletzt kommt in themenbezogenen Vorträgen auch die theoretische Wissensvermittlung nicht zu kurz.

Ein weiterer essentieller Punkt zur Qualifizierung aller Transportbeteiligten ist eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der verladenden Wirtschaft und ihren Dienstleistern. Schließlich lehrt die Erfahrung, dass gerade die Schnittstellen der Logistikketten neuralgische Punkte sind. Ein regelmäßiger Gedanken- und Erfahrungsaustausch ist daher zweifelsohne eines der machtvollsten Instrumente zur Prävention und zwar nicht nur innerhalb der eigenen Organisation, sondern auch und gerade zwischen einzelnen Unternehmen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten für einen gelungenen Wissenstransfer, der in der Branche auch abseits der klassischen Audit-Situation, beispielsweise durch gemeinsame Workshops, mit Standortkonferenzen oder durch die Unterstützung durch Produktexperten gelebt wird.

Vorschrift mit Leben erfüllen

Nun liegt es an den Unternehmen, die sich aus dem BKrFQG ergebenden Chancen auch zu nutzen. Wer indes die Vorschriften nur als Aufgabe empfindet, Schulungsnachweise abzuheften, vergibt eine wichtige Chance, seine Rahmenbedingungen mitzugestalten. Für denjenigen, der hier eine Gelegenheit sieht, eigene Impulse einzubringen, der nutzt die Pflicht als Chance zur Kür.

(aus: gela 09/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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