Besser nicht liegen lassen

Persönliche Schutzausrüstung – Sie ist oft lästig, scheint manchmal überflüssig bei der schon hundertmal ausgeführten Tätigkeit. Dennoch ist sie ein Muss, damit Mitarbeiter ihre Gesundheit nicht aufs Spiel setzen.

(Frauke Bank, UMCO Umwelt Consult, Hamburg) Karsten T., Mitarbeiter eines Logistikdienstleisters, rangiert mit seinem Gabelstapler einen IBC an die Rampe, um ihn in einen Lkw zu laden. Beim Anheben der Ladung bemerkt er, dass an der Auslaufarmatur Flüssigkeit austritt. Um den Schaden zu begrenzen, beschließt er ohne groß nachzudenken, den Hahn per Hand fester zu drehen. Es stört ihn nicht weiter, dass sich sein Arbeitshandschuh dabei mit Flüssigkeit vollsaugt. Für Karsten T. scheint das Problem gelöst, die Leckage ist behoben, und er arbeitet wie gewohnt weiter. Doch nach einiger Zeit bemerkt er ein Jucken und Brennen an seiner rechten Hand. Seine Reaktion, die Handschuhe auszuziehen, kommt zu spät, er erleidet starke Verätzungen.

Unfälle wie diese passieren, wenn Unternehmen nicht die nötigen Arbeitsschutzmaßnahmen treffen. Verkehrsflächen und Rampen zum Be-/Entladen sind stark frequentierte Arbeitsbereiche, die viele Gefahren bergen.

Um Gefährdungen der Beschäftigten zu vermeiden, müssen Arbeitgeber daher laut ArbSchG bauliche Voraussetzungen schaffen, betriebliche Abläufe klar regeln und die Arbeitsbedingungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung schriftlich beurteilen und dokumentieren. Dabei erfasst der Unternehmer das Restrisiko, das trotz aller technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen bleibt.

Lassen sich dabei Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Mitarbeiter nicht gänzlich ausschließen, wird die Benutzung von PSA als weitere Sicherheitsmaßnahme vorgeschrieben. Neben dem Tragen entsprechenden Schuhwerks gehören dazu auch Dinge wie Handschuhe, Schutzbrille, Gurte gegen Absturz oder u.U. sogar Schutzanzüge und Atemschutz.

Der Unternehmer ist in der Pflicht

Entsprechend der Gefährdung am Arbeitsplatz müssen Arbeitgeber geeignete und individuell passende PSA zur Verfügung stellen und deren ordnungsgemäßen Zustand sicherstellen. Arbeitsbereiche, in denen PSA getragen werden muss, sollten durch die entsprechenden Gebotszeichen laut Kapitel 5.1 ASR?A1.3 gekennzeichnet werden. Doch die Betriebe haben noch weitere Verpflichtungen:

  • Für jede bereitgestellte Schutzausrüstung sind Informationen für die Beschäftigten in verständlicher Form und Sprache zur Verfügung zu stellen. Dies kann beispielsweise über eine Betriebsanweisung erfolgen (§ 3 PSA-BV).
  • Die PSA ist grundsätzlich für den Gebrauch durch eine Person bestimmt. Erfordern die Umstände eine Benutzung durch verschiedene Beschäftigte, muss der Unternehmer dafür sorgen, dass Gesundheitsgefahren oder hygienische Probleme nicht auftreten.
  • Vor Aufnahme der Tätigkeit muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter im Umgang mit PSA unterweisen (§ 12 ArbSchG), um das Nichttragen, die falsche Auswahl (z. B. bei mehreren Handschuhmodellen im Betrieb) oder die Benutzung beschädigter PSA zu vermeiden. Neben den allgemeinen Themen wie der Tragepflicht (§ 30 BGV?A1/DGUV Vorschrift?1), dem richtigen Umgang, der Pflege oder der Nachbestellung von PSA kommt es vor allem auch auf die Einweisung zu der speziellen Ausrüstung am jeweiligen Arbeitsplatz an.
  • Bei bestimmter PSA (z.B. Atemschutz) sind die Mitarbeiter regelmäßig arbeitsmedizinisch zu untersuchen.
  • Bei der Auswahl von PSA ist es außerdem notwendig, die Mitarbeiter einzubeziehen, damit Passform und Eignung für die Tätigkeit in der Praxis überprüft werden. Auch die Sicherheitsfachkraft kann ein guter Ratgeber sein – das Beschaffungsteam sollte nicht allein entscheiden. PSA-Produkte müssen mindestens Angaben zum Namen und Hersteller sowie zur Typenbezeichnung, Nummer der zutreffenden EN- und CE-Kennzeichnung enthalten.

Rumpf, Arme, Beine

Overall, Bundjacke oder Latzhose sollten eng am Körper anliegen, um nicht von fahrenden Geräten erfasst oder mitgerissen zu werden. Wetterschutzkleidung gemäß DIN?EN?343 soll gegen Nässe, Wind und Umgebungskälte bis -5 °C schützen und bei mittelschwerer körperlicher Belastung des Trägers auch noch bei warmer Umgebung mit Temperaturen um 20 °C guten Tragekomfort bieten. Fallen die Temperaturen unter -5 °C oder werden Arbeiten in Kühlräumen ausgeführt, ist isolierende Kälteschutzkleidung (DIN?EN?342) notwendig.

Warnkleidung ist Schutzausrüstung für Beschäftigte, die im Verkehrsraum tätig sind. Sie soll die Träger aus ausreichender Entfernung frühzeitig erkennbar machen und muss rundherum mit Reflexstreifen ausgestattet sein. Die üblichen Warnfarben wie neon­gelb oder neon­orange erhöhen die Sichtbarkeit auch bei Tageslicht. Wichtig: Seit 1.?Juli 2014 muss in jedem Fahrzeug (ausgenommen Motorräder) eine Warnweste nach EN?471 oder ISO?20471 vorhanden sein – griffbereit in der Nähe des Fahrersitzes.

Füße

Bei der Be- und Entladung von Fahrzeugen besteht grundsätzlich immer eine Verletzungsgefahr für die Füße. Die erforderlichen Sicherheitsschuhe müssen daher die Grundanforderungen nach DIN?EN?ISO?20344 erfüllen, in der Materialdicke, Reißfähigkeit, Festigkeit, Biegeverhalten und Wasserdampfdurchlässigkeit festgelegt sind. Für den Einsatz bei allgemeinen Lagerarbeiten werden durch die BGR?191/DGUV Regel?112-191 beispielsweise schon Schuhe mit den Schutzkategorien S1, S2 und S4 empfohlen.

Neben diesen Grundanforderungen und Empfehlungen können an das Schuhwerk zusätzliche Anforderungen gestellt werden, wenn sie aufgrund der Gefährdungsbeurteilung erforderlich werden. Dies kann z.B. eine bestimmte Ableitfähigkeit der Schuhsohle sein oder eine Beständigkeit gegen Säuren oder Laugen. Die beliebten Clogs oder auch andere hinten offene Schuhe (sog. Schlappen) sind bei der Fahrt grundsätzlich verboten (BGV?D29 § 44). Sich daran nicht zu halten, kann mit einem Bußgeld belegt werden.

Hände

Verletzungen an den Händen durch äußere Einwirkungen treten relativ häufig auf. Deshalb ist es in der Regel erforderlich, einen passenden Handschutz nach BGR?195/DGUV Regel 112-195 auszuwählen. Dabei ist auf Passform, Tragedauer und Schutzwirkung gegen die speziell am Arbeitsplatz vorhandenen Gefährdungen zu achten. Im Bereich Lager und Verladung sind dies in erster Linie mechanische Gefahren (Quetschungen, Schnittwunden). Es kann aber auch zu thermischen oder im Sonderfall chemischen Belastungen kommen.

Die Auswahl geeigneter Handschuhe muss deshalb im Vorfeld gut durchdacht werden, um z.B. auch bei einer Havarie optimal ausgerüstet zu sein. Üblicherweise werden mehrere Handschuhtypen in den Betrieben vorgehalten. Bezogen auf Chemikalien können erste Hinweise für geeignete Handschuhe aus dem SDB entnommen werden. Abweichungen aufgrund der Arbeitsweise im Betrieb sind natürlich möglich, auch hier ist wieder die Gefährdungsbeurteilung gefordert. Es darf nur ein gegen die jeweilige Chemikalie beständiger Handschuh eingesetzt werden (BGI/GUV Information 868/DGUV Information 212-007).

Bei der Benutzung ist zu bedenken, dass auch ein speziell ausgewählter Handschuh nicht ewig hält und die Schutzwirkung des Handschuhs nach Kontakt mit einer Chemikalie schnell nachlassen kann. Die vom Hersteller angegebenen sog. Durchbruchzeiten geben dabei Hilfestellung. Diese werden allerdings unter Laborbedingungen ermittelt und können sich weiter reduzieren, wenn der Handschuh im Tagesgeschäft ordentlich strapaziert wird. Generell sind Schutzhandschuhe vor jedem Tragen von den Mitarbeitern auf augenfällige Mängel (Risse, Löcher) und Veränderungen des Handschuhmaterials zu überprüfen.

Schutzhandschuhe, welche die notwendige Schutzwirkung nicht mehr erbringen, sind zu ersetzen. Wichtige Informationen wie Gebrauchseinschränkungen, die Art und Weise des sicheren Ausziehens verunreinigter Handschuhe, die korrekte Aufbewahrung oder auch die Tragedauer müssen den Beschäftigten in Form einer Betriebsanweisung zur Verfügung gestellt werden.

Augen und Gesicht

In der Regel ist ein Augen- oder Gesichtsschutz bei Lade- und Lagertätigkeiten nicht gefordert. Besteht jedoch eine Gefährdung durch herabfallende Teile oder austretende Flüssigkeiten, sollte Augenschutz unter Einbeziehung der BGR?192/DGUV Regel 112-192 ausgewählt werden. Auch das Bändern mit Metall- oder Kunststoffbändern bzw. das Lösen dieser Sicherungsbänder kann eine Gefährdung für die Augen darstellen.

Eine ausreichende Schutzwirkung ist nur gegeben, wenn Sichtscheiben und Tragkörper zueinander passen, die PSA dem Träger gut passt und insgesamt den Beanspruchungen im Anwendungsfall standhält. Augen- und Gesichtsschutz sollen das Gesichtsfeld möglichst wenig einschränken, bequem zu benutzen sein und die Augen nicht ermüden. Dies wird u.a. durch eine optimale Belüftung im Augen- und Gesichtsbereich und eine hochwertige Sichtscheibe unterstützt. Eine Schutzbrille muss trotzdem auch seitlich und nach oben und unten gut abschließen, um optimalen Schutz zu gewährleisten.

Atemschutz

Die Benutzung von Atemschutzgeräten (z.B. Vollmasken) ist beim Be- und Entladen selten erforderlich. Eine Ausnahme ist es, wenn die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass Beschäftigte durch Einatmen von Schadstoffen gefährdet werden können und technische Schutzmaßnahmen nicht möglich sind, z.B. bei bestimmten Arbeiten an Tank- und Silofahrzeugen unter ungünstigen Bedingungen. Auch für den Leckagefall kann Atemschutz eine notwendige, individuelle Schutzmaßnahme sein.

Je nach Schadstoff muss das Atemschutzgerät mit einem geeigneten Filter bestückt sein. Nicht jeder Filter schützt gegen jede Chemikalie. Üblicherweise werden daher sog. Kombinationsfilter bereitgehalten, die einen breiten Anwendungsbereich haben. Wenn möglich, sollte aber ein angepasster Filter bevorzugt werden, um die Mitarbeiter nicht unnötig durch übertriebene PSA zu belasten.

In der Regel wird für die Träger von Atemschutzgeräten auch eine Vorsorge durch einen Arbeitsmediziner notwendig. Die erforderlichen Unterweisungen müssen von einer speziell ausgebildeten Person vorgenommen werden. Eine Zusammenfassung über dieses umfangreiche Thema mit Hinweisen zu Auswahl, Benutzung, Unterweisungsinhalten, Betriebsanweisung, Prüfung usw. sind in der BGR/GUV Regel 190/DGUV Regel 112-190 zu finden; die genaue Einteilung und Benennung der Atemschutzgeräte erfolgt in DIN?EN?133 und DIN?EN?134.

Absturzsicherung

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass die vorgeschriebenen Maßnahmen, wie Geländer an Laderampen, die Kennzeichnung der ungesicherten Rampenkante mit gelb-schwarzen Schrägstreifen oder das hochklappbare Geländer an Tank- oder Silofahrzeugen, als Absturzsicherung nicht ausreichen, kann als Schutz gegen Absturz PSA erforderlich werden. Diese ist dann zur Verfügung zu stellen, wenn technische Maßnahmen nicht möglich oder unter vertretbaren Bedingungen nicht realisierbar sind (TRBS?2121).

Es kommt häufig vor, dass Tankzüge zwar über ein Klappgeländer verfügen, aber die baulichen Gegebenheiten vor Ort ein Hochklappen nicht zulassen. Einsetzbar sind dann z.B. spezielle Seilsysteme, an denen „Fallstoppeinrichtungen“ angebracht sind und an die sich der Betroffene mit seinem Auffanggurt anschlägt. Solche Sicherungssysteme werden dann häufig nicht nur von den eigenen Mitarbeitern benutzt, sondern auch von den betroffenen Fahrern. Daher sollten die vom Arbeitgeber für die Mitarbeiter bereitgestellten Auffanggurte gut einstellbar sein.

Die regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter u.a. zum sicheren Gebrauch, zur richtigen Passform und zu den Rettungsmaßnahmen im Falle eines Absturzes durch eine speziell ausgebildete Person ist besonders wichtig. Auch eine entsprechende Betriebsanweisung muss im Betrieb vorhanden sein. Eine Muster-Betriebsanweisung ist u.a. in der BGR/GUV Regel 198/DGUV Regel 112-198 enthalten. Wichtig ist es, vor der Inbetriebnahme eines Auffangsystems zu überlegen, wie eine verunfallte Person gerettet werden kann, und dies regelmäßig zu üben. Eine mindestens jährliche Prüfung der PSA gegen Absturz ist ebenfalls einzuplanen.

Sicherheitsbewusstsein schaffen

Es ist nicht einfach, die richtige PSA auszuwählen, Unterweisungen und Prüfungen zu organisieren, alles Erforderliche zu dokumentieren und bei den Mitarbeitern das notwendige Sicherheitsbewusstsein zu schaffen. Aber es lohnt sich, dieses Thema im Einzelfall näher zu betrachten, denn es ist wichtig, langfristig die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten und nicht zuletzt auch die Rechtssicherheit des Betriebes zu erhöhen.

(aus: gela 10/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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