Alarm im Schwimmbad

Chlorung – Stoffe, die zur Wasseraufbereitung in Schwimmbädern eingesetzt werden, weisen gefährliche Eigenschaften auf. In vielen Bädern mangelt es aber an Gefährdungsbeurteilungen und Schutzmaßnahmen.

(skl) Etwa 40 Badegästen blieb am 5. August in den Frankfurter Titusthermen die erwartete Entspannung versagt. Ein stark erhöhter Chlorwert in einem kleineren Badebecken löste bei ihnen Augen- und Rachenreizungen aus. 20 Personen wurden vom Rettungsdienst versorgt, 13 kamen sogar ins Krankenhaus. Die Frankfurter Feuerwehr war mit zirka 45 Mann im Einsatz, der Rettungsdienst schickte insgesamt 26 Krankenwagen. Unfallursache: unbekannt.

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich drei Tage zuvor im Gothaer Südbad. Hier kam es zur Chlorfreisetzung, als der Bademeister eine leere Gasflasche durch eine volle ersetzen wollte; letztere ließ sich aber nicht schließen, weil Schmutz ins Ventil gekommen war. Nach dem Alarm, der Evakuierung des Schwimmbads und dem Eintreffen der Feuerwehr stellte diese eine erhöhte Gaskonzentration im Technikhaus neben dem Schwimmbecken fest, die Sprinkleranlage war bereits angesprungen. Unter Vollschutz schloss die Feuerwehr der thüringischen Kreisstadt das Ventil der Chlorgasflasche. Verletzt wurde niemand.

Chlorgasalarme wurde auch am 11. August im Alsbachbad Saarbrücken, am 30. Juli im Schwerter Hallenbad, am 16. Juli im Freibad Quarnstedt (Schleswig-Holstein), am 14. Juli im Familienbad "De Bütt" in Hürth (Nordrhein-Westfalen) und am 11. Juli in der Glücksburger Therme (Schleswig-Holstein, hier wurde ein Techniker bei Wartungsarbeiten verletzt) ausgerufen ...

Die Unfallreihe ließe sich in ebenso geringen zeitlichen Abständen fortsetzen. Seit Jahresanfang gab es in Deutschland mindestens 20 Chlorgasalarme in Schwimmbädern (ohne Fehlalarme), ergab eine Internetrecherche der Redaktion – dabei wurden nur Alarme erfasst, die durch die (lokalen) Medien gingen. Jüngster Unfall in der Liste ist der Feuerwehreinsatz im Garchinger Freibad (Bayern) am 9. September.

Die Unfälle laufen eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab: es wird eine erhöhte Chlor-Konzentration festgestellt, daraufhin die vorgeschriebene Alarmaufschaltung zur nächsten Feuerwehr ausgelöst, das Personal leitet die Evakuierung des Schwimmbads ein, die Feuerwehr geht der Leckage auf den Grund und schlägt etwaige Chlordämpfe nieder, eine Fachfirma überprüft schließlich die Badewasseraufbereitungsanlage auf einwandfreie Funktionsweise bzw. stellt diese her. Größere Folgen – in gesundheitlicher Hinsicht für die Badegäste und in finanzieller Hinsicht für die Badbetriebe – gibt es in der Regel nicht. Außer bei den oben erwähnten Unfällen in Frankfurt und Glücksburg gab es 2014 nur noch drei andere Chlorgasfreisetzungen, infolge derer Personen ins Krankenhaus mussten: am 6. Juni in Pappenheim (Bayern, 15 Verletzte), am 5. Juni in Bad Emstal (Hessen, 5 Verletzte) sowie am 5. Februar im Hallenbad Dornstadt (Baden-Württemberg). Letzterer Unfall sticht etwas heraus: von 85 Kindern, die am Schulschwimmen teilgenommen hatten, verletzten sich 66, 25 Kinder wiesen gar Symptome einer Chlorgasvergiftung auf. In dem Hallenbad herrschte über eine längere Phase ein Chlorgehalt, der um ein Mehrfaches über der normalen Konzentration von 0,3 bis 0,6 Milligramm je Liter Badewasser lag. Das Schwimmbad durfte den Betrieb nach gründlicher Untersuchung erst zwei Wochen später wieder aufnehmen.

Bei sechs der insgesamt 20 erfassten Unfälle wurde eine Ursache für den Chlorgasaustritt genannt: ausnahmslos waren es Undichtigkeiten an Gasflaschen bzw. deren Ventilen oder Dosierreglern. Daher sollte auf den Umgang mit den Flaschen höchste Aufmerksamkeit gelegt werden.

Chlorungsvarianten

Die Chlorung ist in Schwimmbädern immer noch das gängigste Verfahren der Badewasseraufbereitung, um Schmutz, Bakterien und mögliche Krankheitserreger zu entfernen. Zur Wasseraufbereitung sind öffentliche Bäder aufgrund des Infektionsschutzgesetzes grundsätzlich verpflichtet. Gemäß der nachrangigen DIN 19643 "Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser" werden für die Chlorung folgende Stoffe als geeignet angesehen:

  • Chlor, geliefert in Stahlgasflaschen oder gar Druckfässern (bis 1.000 kg)
  • Natriumhypochloritlösung in Versandstücken
  • Calciumhypochlorit als Granulat oder als Tabletten in Versandstücken
  • Chlor oder Natriumhypochloritlösung – hergestellt am Verwendungsort durch Elektrolyse
  • Hypochlorige Säure – hergestellt am Verwendungsort durch Elektrolyse.


Reines Chlor (UN 1017) ist mit seinen Eigenschaften giftig, ätzend und brandfördernd der mit Abstand gefährlichste Stoff. Das Schwimmbadpersonal muss daher insbesondere für den sicheren Umgang mit den Chlor-Gasflaschen befähigt sein. Natriumhypochloritlösung (UN 1791) ist weniger gefährlich als Chlor; allerdings kann es mit Salz- oder Schwefelsäure, die in Schwimmbädern gleichzeitig zur Regulierung des ph-Wertes eingesetzt werden, gefährlich zu Chlor reagieren. Dasselbe gilt für Calciumhypochlorit (UN 3487). Chlor und Natriumhypochloritlösung, die erst im Schwimmbad durch Elektrolyse hergestellt werden, weisen indes ein wesentlich geringeres Gefährdungspotenzial auf: Hier werden lediglich Salztabletten, die keinerlei Gefahreneigenschaften aufweisen, an das Schwimmbad geliefert; das Personal muss nicht mit gefährlichen Versandstücken hantieren. Allerdings ist dieses Verfahren ebenso wie die Wasseraufbereitung mit Ozon (statt einer der Chlorungsvarianten) technisch aufwändiger und teurer." Daher überwiegt in den meisten Bädern immer noch der Einsatz von Chlorflaschen", so Steffi Häfner von Schwimmbadservice Amigo Kaufmann. Das Unternehmen beliefert Bäder mit Desinfektions- und ph-Wert-Regulierungsmitteln.

Anforderungen und Schulung

Aus gefahrgutrechtlicher Sicht fungiert das Schwimmbadpersonal als Entlader und Empfänger sowie als Verlader leerer, ungereinigter Verpackungen. Um den entsprechenden Pflichten des Gefahrgut- und auch des Gefahrstoffrechts nachzukommen, sollten die Mitarbeiter in mehrtägigen Lehrgängen als "Befähigte Personen für den Betrieb von Bädern" gemäß BGR (Berufsgenossenschaftliche Regeln) Nr. 108 geschult werden. Hier erhalten sie Grundkenntnisse in der Wasseraufbereitungs- und Sicherheitstechnik, über Produktkennzeichnungen und Sicherheitsdatenblätter sowie über die notwendigen Maßnahmen bei der Anlieferung von Chlor und Chlorverbindungen durch den Händler. "Das Personal soll auch befähigt werden, Lieferungen zu beanstanden, wenn zum Beispiel Chlorflaschen korrodiert oder anderweitig verschlissen erscheinen", so Thomas Beutel, Experte für Wasseraufbereitungsanlagen beim Hersteller Lutz Jesco. Dafür und für den Fall der späteren Entdeckung eines Mangels an einem Packstück oder Druckgefäß sollten in Schwimmbädern Sicherheitsschutzkappen bereitstehen.

Dass es mit der Schulung des Schwimmbadpersonals in der Praxis oft nicht zum Besten steht, legt neben der eingangs beschriebenen Unfallserie auch eine Untersuchung des Hamburger Arbeitsschutzamtes aus dem Jahr 2008 nahe." In den Jahren zuvor kam es in Schwimmbädern im Bereich der Wasseraufbereitung immer wieder zu Unfällen", so Torsten Wurr vom Amt für Arbeitsschutz Hamburg. Ursachen seien oft technische Defekte, aber auch menschliches Versagen und organisatorische Mängel in Verbindung mit technischen Problemen gewesen. Von den 31 in Hamburg besichtigten Bädern gab es in 14 Fällen, also bei fast der Hälfte, keine Gefährdungsbeurteilung. Hierbei handelte es sich vornehmlich um kleinere Bäder von Vereinen oder Fitnesscentern, deren Personal oft aus Quereinsteigern ohne berufliche Ausbildung in Schwimmbädern besteht. In den kleineren Bädern seien Arbeitsschutzkenntnisse im Allgemeinen nicht ausreichend vorhanden gewesen, so Wurr, dies äußerte sich auch in unzureichender Mitarbeiterunterweisung, unregelmäßiger Prüfung der Anlagentechnik und fehlender Kennzeichnung von Gefahrstoffen und Gefahrstoff führenden Teilen.

Auch von den 17 bestehenden Gefährdungsbeurteilungen bewertete das Amt für Arbeitsschutz 12 als "nicht angemessen". Die Behörde sah deshalb "grundsätzlichen Handlungsbedarf". Neben der Beseitigung festgestellter Mängel in 22 Fällen erarbeitete man eine Muster-Gefährdungsbeurteilung für den Bereich Chlorungsanlagen, die vor allem Vorschriften der Gefahrstoffverordnung und der BGV (Berufsgenossenschaftliche Vorschriften) D5 "Chlorung von Wasser" berücksichtigt. In der Muster-Gefährdungsbeurteilung geht es etwa um die Beschaffenheit von Chlorgasräumen, um die persönliche Schutzausrüstung beim Umgang mit Chlor(-verbindungen), um Maßnahmen beim Handling von Chlorflaschen (Absperreinrichtungen, Sicherung gegen Umfallen, Ventilschutz) und um Betriebsan- und Mitarbeiterunterweisungen.

(aus: gela 10/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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