Wi(e)der die Kohle

Klassifizierung – Eine Brandserie mit Holzkohle enthaltenden Boxcontainern beschäftigt die Reedereibranche. Es wird die Forderung nach der Streichung einer Freistellungsmöglichkeit für dieses Gut laut.

Von Stefan Klein

Gegen vier Uhr früh in der Nacht zum 20. November 2015 stellte die Wache des gerade die Deutsche Bucht durchfahrenden Containerfrachters "MSC Katrina" einen Brand in einem Container fest. Die Revierzentrale Cuxhaven untersagte der Schiffsführung nach der Meldung über den Vorfall die Weiterfahrt, die "Katrina" ging vor der Elbmündung auf Reede. Zwei Teams des Havariekommandos gingen an Bord und löschten bei Windstärke 8 den Schiffsbrand. Unter Aufsicht eines der Brandbekämpfungsteams setzte das Schiff dann seine Reise zum Hamburger Hafen fort, wo es kurz vor Mitternacht eintraf. Im Beisein der Feuerwehr wurden insgesamt sieben beschädigte Container entladen und auf einem separaten Platz des Eurogate-Terminals abgestellt. In dem Container, der den Brand verursacht hatte, befand sich Holzkohle.

Ebenfalls Ende November des vergangenen Jahres verzeichnete die Norddeutsche Reederei H. Schuldt auf der "Northern Voli­tion" einen Schiffsbrand, an dem ein Holzkohle-Container beteiligt war. Der Frachter hatte in Indonesien etliche Container mit dem Produkt geladen, sie sollten in Südkorea abgeladen werden. Nach Verlassen des Hafens von Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam) bemerkte man das Feuer, das Schiff kehrte für die Löscharbeiten in den Hafen zurück. Der vom Brand beschädigte Container enthielt Bigbags mit Holzkohle, die Ladung war indes offiziell als "Hard Wood" (Hartholz) deklariert.

Vor zwei Jahren ereignete sich ein weiterer Schiffsbrand durch Holzkohle-Container während der Anfahrt auf den Hamburger Hafen. Auf der "Santa Rosa” hatte sich das Feuer von einem Container im Oberdeck auf eine darüber stehende, ebenfalls Holzkohle enthaltende Box ausgebreitet. Der Brand konnte durch die Besatzung gelöscht werden, sie flutete die Container komplett. Insgesamt befanden sich acht Boxen mit Holzkohle aus Argentinien zur Brikettherstellung in Polen an Bord, verpackt á 25 Kilogramm in nicht UN-geprüften Kunststoffsäcken. Ein Team des Havariekommandos ging vorsorglich aufs Schiff und begleitete es als Brandwache bis zum Terminal.

In allen Fällen war die Selbstentzündbarkeit der Holzkohle Brandursache. Sie war jeweils nicht als Gefahrgut deklariert und gekennzeichnet. Im Fall der "Santa Rosa” ließ die betroffene Reederei die Selbstentzündungsfähigkeit der Holzkohle von einem unabhängigen Gutachter untersuchen. Es ging zunächst um die Frage, ob Holzkohle:

  • als Gefahrgut der Klasse 4.2 und UN 1361 (KOHLE oder RUSS, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs), VG III,
  • als Nicht-Gefahrgut auf Basis der SP 223 des IMDG-Code oder
  • als freigestellt von den Vorschriften bei Erfüllung der Bedingungen der SP 925 IMDG-Code

einzustufen ist.

Entscheidend für letzteres ist eine Testreihe nach dem Ablaufdiagramm in 33.3.1.3.3 des UN-Handbuchs "Tests and Criteria". Der Gutachter kam zu folgenden, hier vereinfachten Ergebnissen:

Testschritt  

 Volumen der Probe

Selbstentzündungs- temperatur  

Ergebnis  

1

1 Liter

< 140 °C

ja

2

15,6 cm3

< 120 °C

nein

3

1 Liter

< 140 °C

nein

 

Laut diesen Testergebnissen war die Holzkohle zwar als "selbsterhitzungsfähiger Stoff" der Klasse 4.2 zu klassifizieren – SP 223 war nicht erfüllt, wodurch in diesem Fall auch ein Transport in loser Schüttung unzulässig gewesen wäre. Jedoch konnte auf Basis des "bestandenen" Tests gemäß 33.3.1.3.3 UN-Handbuch bzw. SP 925 des IMDG-Code (wo auf den Test verwiesen wird), eine Freistellung für Versandstücke bis 3 Kubikmeter erfolgen. Die Holzkohle in den Containern auf der "Santa Rosa" war in Säcken verpackt – formal ging also alles mit rechten Dingen zu.

Einflüsse auf die Entzündlichkeit

Das Gutachten trifft darüber hinaus auch Aussagen zur Brandursache. "Die Selbstentzündung der argentinischen Holzkohle während des Seetransports von Buenos Aires nach Hamburg ist auf die hohen Temperaturen (rund 40 °C) in den Sommermonaten (November und Dezember) im Jahr 2013 in Argentinien zurückzuführen. Die Holzkohle wurde bei diesen Temperaturen über Wochen in einem Lagerhaus aufbewahrt, teilweise sogar im Freien." Als die dann verpackte Holzkohle den Hafen von Buenos Aires verließ, habe die Temperatur in den Containern mindestens der Umgebungstemperatur entsprochen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Temperatur in den Containern anfangs sogar wesentlich höher war (rund 60 °C). Es sei wahrscheinlich, dass einige Holzkohle-Säcke da schon ein Glimmnest ("Hot Spot") besessen hätten, so das Gutachten.

Die Temperatur ist allerdings nicht die einzige Einflussgröße in Bezug auf die Selbstentzündungsfähigkeit von Holzkohle. Da ist, wie es im Gutachten schon anklingt, zunächst einmal die Beförderungsdauer: die Container sind allein während der Seebeförderung aus Südamerika oder Südostasien mehrere Wochen unterwegs, ganz abgesehen vom Antransport zum Hafen und der Verweildauer dort, letztere kann mehrere Monate umfassen. Auch die Feuchte des hygroskopischen Produkts – etwa durch Niederschlagswasser bei der Lagerung im Freien oder durch Kondenswasser beim Transport durch tropische Gefilde – kann die Bildung von Glutnestern fördern, weil dadurch die Temperatur im Produkt ansteigt. Die Größe der Abpackung spielt ebenfalls eine Rolle: fehlen "trennende" Kunststoffsäcke oder Bigbags – erfolgt der Transport also in loser Schüttung – befördert dies die Selbstentzündbarkeit. Und letztlich spielt auch die Herkunft der Holzkohle bzw. die Baumarten, aus denen sie gewonnen wird, eine Rolle.

Holzkohle ist nicht gleich Holzkohle

Die Herstellung der Holzkohle unterliegt keinen industriellen Standards. In Deutschland, wo eine Produktion nur noch in sehr geringem Ausmaß in Schau-Köhlereien erfolgt, wird der Bedarf zu 98 Prozent durch Importe aus Übersee gedeckt. Zirka die Hälfte der Importe stammt dabei aus Paraguay und Argentinien. Grundsätzlich wird Holzkohle produziert, indem trockenes, abgelagertes Holz unter weitgehendem Luftabschluss auf rund 300 °C erhitzt wird. Holzkohle wird überwiegend zur Erzeugung intensiver Hitze genutzt, und zwar vor allem dort, wo Rauch- und Flammenbildung vermieden werden muss, beispielsweise im Schmiedefeuer. Daneben gibt es viele andere industrielle Verwendungen, etwa als Absorptions- und Filtriermittel oder auch als Poliermittel. Ein großer Anteil entfällt natürlich auch auf den privaten Konsum als Grillkohle.

Reaktionen der Reedereien

Welche Konsequenzen lassen sich nun aus der eingangs geschilderten Brandserie ziehen? Holzkohle hat zwar noch für kein Großfeuer auf einem Containerschiff gesorgt, doch ihre Beförderung führt offenbar regelmäßig zu Vorfällen, die nur dann bekannt zu werden scheinen, wenn die Glimmnester zu nennenswerten Schäden führen.

Allmählich steigt unter Reedereivertretern die Auffassung, dass man in dem Bereich etwas tun müsse. Dabei ist es nicht notwendig, die Beförderung von Holzkohle-Containern unternehmensintern zu sperren – dann würde man ja Marktanteile im hart umkämpften Containergeschäft verlieren. Es würde schon ausreichen, wenn sichergestellt würde, dass Holzkohle grundsätzlich immer als Gefahrgut der UN 1361 angedient würde – zumal die verantwortlichen Versender in Übersee oftmals auch gar nicht über die Möglichkeit einer genauen Klassifizierung der Holzkohle gemäß UN-Test verfügen können oder wollen.

Ist Holzkohle definitiv Gefahrgut, kann bei der Stauplanung immer ein geeigneter Stellplatz auf dem Schiff für solche Boxen ausgesucht werden (auf jeden Fall entfernt von den beheizten Schweröltanks). Geeignet ist ein Stellplatz insbesondere dann, wenn er von der Schiffsleitung beaufsichtigt und bei einem etwaigen Brand gut erreicht werden kann (maximal zweite Lage an Deck). Um eine verpflichtende Deklarierung von Holzkohle als Gefahrgut zu erreichen, wäre es letztlich am einfachsten, die Freistellungsmöglichkeit für Versandstücke bis 3 Kubikmeter bzw. 450 Liter gemäß SP 925 auf Basis des UN-Test 33.3.1.3.3 aus den Vorschriften zu nehmen.

(aus: gela 02/16, www.gefaehrliche-ladung.de)

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