Neue Läger: Benötigt und bekämpft

Infrastruktur – Wenn heute Gefahrstoffläger gebaut oder erweitert werden, ist mit lokalem Widerstand und klagefreudigen Umweltverbänden zu rechnen. Langfristig droht die Lagerkapazität in Deutschland zu sinken.

(skl) Giftstofflager, Alarmglocken, Bürgerprotest... mit diesen Schlagworten titelten im vergangenen August Lokalzeitungen in Nordrhein-Westfalen, als die Pläne des Chemielogistikers Talke für den Bau eines Gefahrstofflagers im Duisburger Hafen publik wurden. Die örtliche Bevölkerung organisierte sich in einer Bürgerinitiative ("Kein Giftstofflager in Rheinhausen") gegen das Vorhaben. Schnell zeigten sich auch Lokalpolitiker solidarisch. Die Vertreter von Umweltverbänden bezogen Stellung – wie fast immer, wenn es um große Infrastrukturprojekte oder nach dem Bundesimmissions­schutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen geht.

Im September lud Talke zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung. Die verantwortlichen Manager boten Einwohnern Duisburg-Rheinhausens den Dialog an. Letztere beklagten die potenzielle Gefährlichkeit des geplanten Lagers, eine zu große Nähe zu Wohngebieten und künftig steigenden Lkw-Verkehr. Die Wogen ließen sich auf der Veranstaltung nicht glätten.

Bei der öffentlichen Anhörung als wichtiger Stufe des Genehmigungsverfahrens an zwei Tagen Anfang November sah sich das Unternehmen dann mit einer Vielzahl von Nachfragen und Anträgen vor allem von Seiten des BUND konfrontiert. Das Unternehmen muss nun in einigen Punkten (Immissionsschutz, Wasserrecht, Anlagensicherheit) nachliefern. Im Laufe dieses Jahres wird es dann unter Leitung der Genehmigungsbehörde, der Bezirksregierung Düsseldorf, zu einer zweiten Anhörung mit Behörden, Trägern öffentlicher Belange wie der Feuerwehr sowie den Projektgegnern vom BUND und der Bürgerinitiative kommen. Ein Baubeginn ist jedenfalls noch lange nicht absehbar, dieser kann frühestens ein Jahr später als ursprünglich geplant erfolgen.

Das Lager mit einer Kapazität von 28.000 Tonnen Gütern (davon 6.000 Tonnen für hochentzündliche und toxische Stoffe) soll nicht auf der Grünen Wiese, sondern im Duisburger Hafenteil Logport I entstehen, auf dem Boden des 1993 stillgelegten und später abgerissenen Krupp-Stahlwerks. Der Lager­standort ist umgeben von anderen Logistikansiedlungen – man weiß die vielen, multimodalen Verkehrsanschlüsse des linksrheinischen Logports zu schätzen. Es gibt mehrere Containerterminals in unmittelbarer Nachbarschaft des geplanten Talke-Lagers. Auf ihnen werden natürlich auch Gefahrgüter umgeschlagen; die Gefahrgutcontainer werden hier aber weder geöffnet, noch wird ihr Inhalt länger gelagert oder umgefüllt, wie es Talke vorhat.

Logistisch optimal gelegen

Warum Talke das neue Lager nicht in einem Chemiepark wie etwa im benachbarten Krefeld baut, wird mit der optimalen Lage des Logports begründet, wo über etliche Bahn- und Binnenschiffsverbindungen die Nordseehäfen ebenso gut angebunden sind wie westeuropäische Chemiezentren. Ferntransporte von/zum neuen Lager sollen somit nur zur Hälfte über die Straße rollen. Das Lager, das für die meisten Lagerklassen nach TRGS 510 genehmigt werden soll, fungiert also eher als Verteilzentrum (auch für nicht-kontinentale Ware aus/nach Übersee), denn als Logistikstützpunkt für einen (Haupt-)Kunden aus der Chemieindus­trie wie etwa an anderen Talke-Standorten in Schwarzheide oder Ludwigshafen.

Derzeit betreibt Talke weltweit elf Gefahrgutläger (entweder dedicated für nur einen Kunden oder offen für Dritte). Auf so viel öffentlichen Widerstand wie in Duisburg ist das Logistikunternehmen bisher nicht im Ansatz gestoßen. Vielleicht kommen in Duisburg-Rheinhausen auch besondere Umstände hinzu – insofern, als dass die Einwohner durch den jahrelangen (Arbeits-)Kampf gegen die Schließung des Krupp-Werks noch gleichermaßen sensibilisiert wie gestählt sind.

Schwierigkeiten allerorten

Talke ist nicht der einzige Gefahrgutlogistiker, der Schwierigkeiten beim Bau oder der Erweiterung von Gefahrstofflägern hat. Noch ein Stück weiter westlich, in Wegberg bei Mönchengladbach, beantragte Times Logistics International (TLI) 2011 eine Ausweitung der Genehmigung für das bestehende Lager. Es sollten die Lagerung weiterer Klassen als bis dato möglich sein. Dafür hätte in der Genehmigung die strikte Positiv-/Negativliste durch Abstandsregelungen ersetzt werden müssen. "Wir konnten die Pläne bis heute nicht umsetzen", so Geschäftsführer Carlo Knippenberg. Viele Kundenanfragen müsse man ablehnen, weil die Lagerung gewisser Stoffe in dem eigentlich abgelegenen Standort auf einem alten Militärgelände gemäß alter Genehmigung nicht erlaubt ist.

Chemion, das im Chempark Leverkusen ein großes Hochregallager für Gefahrstoffe betreibt, war vor kurzem auf der Suche nach einer Lagermöglichkeit für 25.000 Paletten Chlor außerhalb des Chemieparks: "Es gab nur Absagen", erzählt Lothar Hinterlang von Chemion Logistik.

Gefahrgutläger außerhalb von Chemieparks sind aufgrund einer immer geringer werdenden Akzeptanz der umliegenden Bevölkerung kaum noch zu realisieren. Hinzu kommen immer schärfere gesetzliche Bestimmungen und immer höhere Auflagen der Behörden. "Andererseits sind viele der in Chemieparks gelegenen Läger sanierungsbedürftig oder (lager-)technisch nicht auf dem neuesten Stand", sagt Prof. Wolfgang Backmerhoff von der Hochschule Neuss. Somit sei mittel- bis langfristig ein Engpass bei den Lagermöglichkeiten für verpackte Chemikalien bzw. Gefahrgüter zu befürchten.

Infraserv Logistics hatte Anfang 2014 seine Kapazitäten im Rhein-Main-Gebiet ausgebaut, indem es im westlich von Frankfurt gelegenen Flörsheim eine Logistikimmobilie für nicht als Gefahrgut eingestufte Stoffe anmietete. "Seitdem haben wir in unserem Hauptlager im Industriepark Höchst mehr Platz für Gefahrgüter", sagt Sven Frerick, Marketingleiter bei Infraserv Logistics. Ein neues Gefahrgutlager außerhalb des Chemieparks im Rhein-Main-Gebiet wäre nur schwierig zu realisieren gewesen – Logistikprojektentwickler halten sich hier merklich zurück. Denn Gefahrgutläger mit ihren vergleichsweise kleinen Lagerabschnitten und höheren Brandschutzeinrichtungen sind deutlich teurer als "normale" Logistikimmobilien. Zudem ist es viel schwieriger, Nachmieter zu finden, wenn etwa ein Mietvertrag nach zehn Jahren ausläuft und nicht verlängert wird: Im Prinzip kann dort nur ein anderer Gefahrgutlogistiker einziehen.

Gefahrgutlagerneubauten auf der Grünen Wiese sind auch daher vergleichsweise teuer, weil dort ein hoher baulicher Aufwand zu betreiben ist, der den Brandschutz- und (Lösch-)Wasserrückhaltungsvorschriften genügt. "Diesen Aufwand hat man so im Chemiepark nicht", sagt Frerick. Dafür seien dann aber die Kosten im laufenden Betrieb durch die Mitnutzung der Chemieparkinfrastruktur (einschließlich Werkfeuerwehr) höher. "Aber egal, ob auf der Grünen Wiese oder im Chemiepark – das Genehmigungsverfahren für ein neues Gefahrgutlager ist formal dasselbe", so Frerick. Und auch ein gewisser Widerstand der Anwohner sei nicht ungewöhnlich – im Frankfurter Westen, wo die Leute mit Hoechst groß wurden, hält er sich aber in Grenzen.

Infraserv Logistics ist derzeit in der Vorplanung für einen Lagerneubau im Industriepark Höchst. "Wir verzeichnen eine anhaltend hohe Nachfrage bei Gütern der Klassen 3 und 6, auch bei 4 und 5", so Frerick. In der Vergangenheit habe man die alten Blockläger, die es im Industriepark neben dem 2008 eröffneten Hochregallager mit 70.000 Palettenstellplätzen noch gibt, hier und da versucht zu modernisieren. Aber solch bauliche Veränderungen sind auch nicht leicht umzusetzen: zwar bleibt laut Frerick die Genehmigung für die Lagerung von Gefahrstoffen grundsätzlich bestehen, es steigen aber die Auflagen. "Durch die Auflagen sinken dann die erlaubten Stoffmengen in dem Lagerabschnitt."

Daher favorisiert man bei Infraserv Logistics inzwischen einen größeren Lagerneubau. "Wir werden uns in dem Genehmigungsverfahren um Transparenz bemühen", so Frerick. Der Kontakt zur umliegenden Anwohnerschaft wurde schon in der Vergangenheit regelmäßig gesucht. Nicht zuletzt dürfen die Leute beim Tag der Offenen Tür im Industriepark Höchst auch einen Blick ins bestehende Gefahrgutlager werfen.

(aus: gela 02/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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