Ein bahnbrechendes Konzept

Intermodal – Der Chemiekonzern BASF will künftig einen Teil der Verkehre zwischen seinen europäischen Werken mit 45-Fuß-Tankcontainern abwickeln. 2018 soll das ehrgeizige Projekt "Rail 4.0" starten.

Von Stefan Klein

Schon im vergangenen Herbst hatte BASF einen neuen 45 Fuß langen Tankcontainer vorgestellt. Der zusammen mit dem belgischen Hersteller Van Hool entwickelte Behälter hat mit 66 Tonnen Nutzlast bzw. 63.000 Liter Inhalt mehr als die doppelte Ladekapazität eines heute üblichen Tankcontainers, das Fassungsvermögen ist etwa gleich dem eines Chemiekesselwagens. Bislang wurden Tankcontainer maximal mit einer Länge von 40 Fuß gebaut. Und auch diese gibt es erst seit wenigen Jahren, sie werden vor allem beim Transport von tiefkalt verflüssigten Gasen eingesetzt. Die 40-Fuß-Tanks können allerdings auch im beladenen Zustand im Straßentransport gefahren werden. Dies lässt sich mit den neuen 45-Füßern nicht machen. Es war somit unklar, wie BASF das neue Transportmittel genau einzusetzen gedenkt.

Die neuen 45-Füßer sind noch zwingender als bisher übliche (kleinere) Tankcontainer auf den Kombinierten Verkehr, also auf die Beförderung per Bahn oder auch Binnenschiff im Hauptlauf, ausgerichtet. In Deutschland, wo ein zulässiges Lkw-Gesamtgewicht von vergleichsweise niedrigen 40 Tonnen gilt, dürfen in Vor- und Nachläufen des Kombinierten Verkehrs zwar immerhin bis zu 44 Tonnen über die Straße rollen. Doch auch dies ist viel zu wenig, um die knapp neun Tonnen schweren 45-Fuß-Tankcontainer in einigermaßen ausgelastetem Zustand zu befördern.

Viele Vorteile

Die neuen Tanks werden also vor allem auf der Schiene verkehren. "Wir wollten ein System schaffen, das den konventionellen Schienengüterverkehr genauso flexibel und schnell wie den Kombinierten Verkehr macht, ohne den großen Vorteil der hohen Zuladungsgewichte aus den konventionellen Kesselwagenverkehren aufzugeben", erklärt Dr. Thorsten Bieker, Vice President Rail & Site Service bei BASF. Bisher nutze die Industrie vor allem 20-Fuß-Tankcontainer, die als multimodales Transportmittel zwar Flexibilitätsvorteile im Transportvor- und -nachlauf besäßen, aber vergleichsweise hohe Handlingkosten aufweisen.

Gegenüber klassischen Kesselwagen nehmen die 45-Fuß-Tanks dank der Möglichkeit, per Kran vom Bahnwagen abgenommen werden zu können, und aufgrund ihrer Stapelfähigkeit im Terminal deutlich weniger Infrastruktur in Anspruch. Durch die Absetzfähigkeit würden insgesamt auch weniger Tragwagen benötigt, so Bieker. Schließlich betrage heute die durchschnittliche Laufleistung eines Contai-nertragwagens – ähnlich der eines Lkw – 180.000 Kilometer im Jahr. Kesselwagen mit ihren langen Standzeiten kommen oft auf gerade mal 30.000 Kilometer. Intern rechnet man künftig mit einem Verhältnis von zwei bis drei Tanks pro Containertragwagen.

Die neuen Tanks können außerdem an den Produktionsanlagen flexibler be- und entladen und auch mal als Vorratstank direkt an der Anlage abgestellt werden. Notwendige Reinigungs- bzw. Reparaturarbeiten gehen schneller und einfacher vonstatten als bei Kesselwagen.

Mit dem Konzept der Entkopplung des Transporttanks vom Bahnwagen will der Chemiekonzern die Schiene gegenüber dem Straßentransport wieder wettbewerbsfähiger machen. Es ist heute bei Kesselwagenverkehren so, dass auf die Zustellung bzw. die so genannte "letzte Meile" – auch bedingt durch zahlreiche Rangiervorgänge – ein signifikanter Teil der Gesamttransportkosten entfällt. Gleichwohl, das stellt Bieker klar, wolle BASF gerade bei großvolumigen Chargen, die oft in Ganzzügen gefahren werden, weiterhin Kesselwagen nutzen.

Für den bahnoptimierten 45-Füßer hat BASF auch einen passenden, 15,30 Meter langen Tragwagen konstruiert. Dessen Stellfläche hat eine Länge von genau 46 Fuß, so dass sich darauf entweder ein 45-Fuß-Tank oder ein 20-Fuß- plus ein 26-Fuß-Tank – also die heute geläufigen Größen – befördern lassen. Dementsprechend sind auch die Zapfen für die Arretierung der Boxen anders angeordnet sowie für stärkere Belastungen ausgelegt, als man sie auf herkömmlichen Containertragwagen findet.

Im Frühjahr 2017 sollen laut BASF die ersten 40 Tragwagen des neuen Typs geliefert werden. "Sie werden dann auch mit Scheibenbremsen ausgerüstet sein, die den Güterwagen maximal nur 76 Dezibel laut werden lassen", sagt Bieker. Dies bedeute gegenüber den oft als "Flüsterbremsen" bezeichneten LL-Sohlen, mit denen derzeit die in Deutschland bestehende Güterwagenflotte in großem Stil umgerüstet wird, nochmals eine spürbare Lärmreduzierung um zirka 7 Dezibel. Dies erscheint vor dem Hintergrund der gerade im Rheintal heftig geführten Diskussion über Schienenlärm als recht vorteilhaft.

Anpassung der Werkslogistik

Natürlich muss BASF auch die werksinterne Logistik an die neuen 45-Füßer anpassen. So soll in zwei Jahren neben dem bestehenden Kombiterminal Ludwigshafen (KTL) – an dem diskriminierungsfreien, öffentlichen Terminal in seinem Stammwerk ist der Konzern lediglich beteiligt –, ein neuer, unternehmenseigener Containerterminal entstehen. Dieser soll über eine Lagerkapazität von 1.600 TEU (20-Fuß-Standardcontainer) und drei Gleise unter Kran verfügen. Die Behälter können platzsparend bis maximal fünffach gestapelt werden, derzeit läuft das Genehmigungsverfahren für die Lagerung von Gefahrstoffen. Die zwei Portalkräne, die dann alle Standardcontainerarten zwischen 20 und 45 Fuß entweder für den konventionellen Schienengüterverkehr zu Zügen zusammenstellen oder für den werksinternen Verkehr bereitstellen sollen, sind auf das maximale Bruttogewicht der 45-Fuß-Tanks von 75 Tonnen ausgelegt.

Mit der Fertigstellung des Tankcontainer-Terminals im Jahr 2018 plant BASF, bereits rund 500 der neuen 45-Füßer einzusetzen. Hauptsächlich sollen diese in Ganzzügen zwischen den großen westeuropäischen BASF-Standorten Ludwigshafen, Antwerpen und Schwarzheide transportiert werden. Bei diesen Ganzzügen fungiert der Konzern, der bereits seit rund zwei Jahrzehnten als Eisenbahnverkehrsunternehmen zugelassen ist, auch als Zugoperator.

Für den werksinternen Transport der Tanks nimmt sich BASF die aus Seehäfen bekannten Automatic Guided Vehicles (AGV) zum Vorbild. Diese auf die BASF-Belange umkonstruierten Flachtransporter – sie besitzen mit insgesamt acht Achsen weit mehr Räder als die in Häfen eingesetzten AGVs und sind noch niedriger – befördern den Container aus den Produktionsanlagen zum Terminal oder umkehrt. Der Container befindet sich dabei ähnlich wie bei Lkw-Wechselbrücken auf einem Rahmengestell, das von den AGVs unterfahren wird. Auf die Weise lassen sich Container einfach aufnehmen und am Zielort punktgenau abstellen. Die AGVs sollen in einer ersten Phase noch per Fernsteuerung gelenkt werden, später dann auf festgelegten Bahnen vollautomatisch auf den Werkstraßen verkehren. Wie die optimierten Containertragwagen sollen die ersten der neuartigen AGVs bereits 2017 nach Ludwigshafen geliefert werden.

Veränderung des Modal Split

Das jährliche Transportvolumen im Stammwerk Ludwigshafen beträgt zirka 20 Millionen Tonnen (2014), davon entfallen sechs Millionen auf werksinterne Transporte. Die externen Zu- und Ablaufverkehre werden derzeit

  • zu 40 Prozent per Binnenschiff (20 Schiffe am Tag),
  • zu 33 Prozent per Lkw (2.000 Fahrzeuge am Tag),
  • sowie zu 27 Prozent per Bahn (400 Güterwagen am Tag)

abgewickelt.

Wieviel von diesem Transportvolumen perspektivisch auf die neuen 45-Fuß-Tanks entfällt und wie das den obigen Modal Split beeinflusst, darüber mag man bei BASF noch keine Aussagen treffen. Ziel ist aber eindeutig eine Reduzierung der Lkw-Verkehre. Der Lkw könnte schließlich langfristig auch bei seinen bisherigen Schwachpunkten, nämlich den hohen Arbeitskosten und dem starken Kohlendioxidausstoß – betrachtet jeweils pro beförderte Gütertonne –, Boden gut machen: durch die Verbreitung des Autonomen Fahrens und alternativer Antriebe. Ohne Innovationen kann der Schienengüter- bzw. der Kombinierte Verkehr da kaum gegenhalten.

Im Konzern hofft man, dass sich das vorerst auf die eigenen Standorte im mitteleuropäischen Produktionsverbund begrenzte Konzept nicht zuletzt durch Kostenvorteile in den nächsten zehn Jahren auch auf andere Marktteilnehmer in der Chemielogistik überträgt.

(aus: gela 03/16, www.gefaehrliche-ladung.de)

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