Das Fenster zum Hafen

Slot – Ohne Buchung eines einstündigen Zeitfensters geht im Hamburger Hafen kein Container mehr auf oder vom Lkw. Die für die Regelung verantwortlichen Terminals sehen nur Vorteile, Spediteure üben indes Kritik.

Von Stefan Klein

Der 29. November 2017 war ein nicht ganz bedeutungsloser Tag für den Hamburger Hafen. Seitdem gilt für die Anlieferung und Abholung von Containern per Lkw das Slotbuchungsverfahren. An den drei Containerterminals Burchardkai, Altenwerder und Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie am Eurogate Containerterminal Hamburg dürfen die Boxen nur noch in einem zuvor von den Spediteuren gebuchten Zeitfenster ausgehändigt bzw. empfangen werden. Hamburg ist damit Vorreiter in Deutschland, bisher wenden vor allem Häfen in den USA sowie einige wenige Terminals in Europa, Fernost und Australien ähnliche Buchungssysteme an.

Hintergrund ist u.a. der Trend hin zu immer noch größeren Containerschiffen. Laut Branchendienst Alphaliner entfallen von der 2018 weltweit in Dienst gestellten Tonnage 50 Prozent auf die Kategorie Ultra Large Container Ships (ULCS), die eine Kapazität zwischen 14.000 und 21.000 TEU (20-Fuß-Standardcontainer) aufweisen. Bei einem 20.000-TEU-Schiff werden pro Hafenanlauf schon mal bis zu 15.000 Container geladen und gelöscht. Dies führt zu immer höheren Transportspitzen im Zu- und Ablauf der Containerverkehre, und gerade auf den Straßen im und um den Hamburger Hafen ist die Verkehrssituation seit jeher angespannt.

Gleichmäßigerer Zu- und Ablauf

Das neue Slotbuchungsverfahren soll nun diese Spitzenzeiten entzerren und die Lkw-Verkehre gleichmäßiger verteilen. Warte- und Abfertigungszeiten für Lkw reduzierten sich, so die Terminalbetreiber. Den Fuhrunternehmern werden zudem einheitliche Abläufe an allen vier Hamburger Containerterminals, ein homogener Informationsaustausch – kurzum mehr Transparenz und Planungssicherheit – geboten.

Sind zur gewünschten Zeit genug Abfertigungskapazitäten auf Terminalseite vorhanden, können Spediteure Slots über eine Datenschnittstelle oder die Webseite www.truckgate.de buchen, hier gibt es auch eine grafische Übersicht über alle freien Slots. Ist ein Slot schon ausgebucht, bietet das System das nächste freie Zeitfenster an.

Zeitgrenzen der Slots

– Ein Slot umfasst jeweils eine Stunde, in welcher der Lkw mit höchster Priorität am betreffenden Containerterminal abgefertigt wird. Dabei gilt eine Toleranz von +/ – 30 Minuten.

– Verpasst ein Fahrer auch diese, wird er mit verringerter Priorität behandelt und nur abgefertigt, wenn es die Auslastung am jeweiligen Terminal zulässt.

– Kommt er mehr als 90 Minuten vor Beginn des einstündigen Zeitfensters oder 90 Minuten nach dessen Ablauf, ist der Slot verfallen und neu zu buchen. Das Warten auf den neuen Slot auf den Terminalparkplätzen ist den Truckern dabei untersagt.

Slots werden von den Terminals nach dem zeitlichen Eingang der Anmeldung vergeben, sie können maximal drei Tage im Voraus gebucht werden. Stornierungen von Slots und Umbuchungen sind nach Aussage der Terminalbetreiber ebenso möglich wie ein Slot-Tausch und das Zubuchen weiterer Container.

Basis für das Slotbuchungsverfahren ist die Voranmeldung von Transportdaten über die Datenschnittstelle TR02. Über die seit Ende 2016 verpflichtende elektronische Voranmeldung tauschen Fuhrunternehmer und Terminals Containerdaten aus, wobei zunächst der Transporteur anhand der Containernummer eine Statusanfrage stellt, ob ein An- oder Abtransport überhaupt durchführbar ist. Schließlich können sich Schiffe verspäten oder es liegen fehlerhafte Daten vor. Erhält das Fuhrunternehmen vom Terminal positive Antwort (ggf. verbunden mit Hinweisen wie „Papiere mitbringen“), kann es eine Anfahrt buchen und erhält dabei vom Terminal eine Tourenplannummer. In dem Zuge erfolgt nun seit kurzem auch die Slotbuchung.

Ausnahmen für Klassen 1 und 7

Bei Anlieferung/Abholung am Gate muss die Tourenplannummer vom Fahrer eingegeben werden. Hierbei wird dann auch die aktuelle Zeit mit dem gebuchten Slot verglichen und nach oben genannten Zeitgrenzen über die Abfertigung entschieden. Dabei gelten aber Ausnahmen: so werden unter anderem Anlieferungen von Gefahrgutcontainern der Klassen 1.1, 1.2 und 7 unabhängig von ihrer Pünktlichkeit auf jeden Fall abgefertigt. Hier überwiegt bei den Terminals das Sicherheitsinteresse gegenüber der Abfertigungsoptimierung. Davon abgesehen, gibt es für jeden Gefahrgutcontainer über die elektronische Voranmeldung hinaus eine manuelle Vorprüfung.

Die HHLA zog Ende 2017 eine erste Zwischenbilanz über das Slotbuchungsverfahren. „Das System läuft seit der Einführung stabil“, so Ingo Witte, Geschäftsführer des Containerterminals Altenwerder (CTA). „Wir haben zahlreiche konstruktive Rückmeldungen erhalten, die wir prüfen, um die Slotbuchung operativ weiter zu verbessern.“ Ein Schwerpunkt liege darin, die Zuverlässigkeit in der Slotnutzung zu erhöhen. Denn bisher werde eine Reihe der gebuchten Slots nicht genutzt, so Witte, weil teilweise mehr Slots gebucht als tatsächlich benötigt werden. Zudem würden nennenswerte Vorausbuchungen erst mit Ablauf der Zeitfenster umgebucht, also in das nächste freie Zeitfenster hinein geschoben. „Auf diese Weise werden unsere Abfertigungskapazitäten blockiert und können von anderen Fuhrunternehmen nicht genutzt werden“, erklärt Witte.

Der übergreifende Nutzen des Systems kann sich nur dann einstellen, wenn alle Beteiligten in der Transportkette ihre Aktivitäten mit Hilfe der Slotbuchung aufeinander abstimmen. Dazu gehört ein faires Buchungsverhalten, auf dessen Grundsätze die HHLA die Fuhrunternehmen vor kurzem noch einmal gesondert hinwies:

– Nur Containermengen buchen, die für den betreffenden Tag auch tatsächlich benötigt werden bzw. für An- oder Abtransport eingeplant sind.

– Nach Möglichkeit den Slot mindestens vier Stunden im Voraus buchen – mit diesem Vorlauf bekommt man in der Regel auch das gewünschte Zeitfenster.

– Alle gebuchten Slots nutzen – Umbuchungen und Stornierungen insbesondere von bereits begonnenen oder gar vergangenen Zeitfenstern vermeiden.

– Bei kurzfristigen Planungsänderungen stattdessen versuchen, Slots zu tauschen.

Werden Slots erst mit ihrem Ablauf wiederholt in das nächste verfügbare Zeitfenster umgebucht oder wiederholt storniert, wertet dies die HHLA als „No show“ und behält sich eine Ahndung durch geeignete Maßnahmen vor.

An der Transportpraxis vorbei

Die Speditionen sind mit der Slotbuchung weniger zufrieden. „Die Abfertigungsproblematik wird von den Terminals auf die Straße verlagert“, sagt Sigward Glomb, Chef des Containertrucking-Unternehmens Glomb, das durch seine rosa lackierten Zugmaschinen auffällt. „Die Zeitfenster und Toleranzzeiten sind viel zu eng.“ Sie liefen an der heutigen Transportpraxis vorbei, wo es ständig zu Verzögerungen kommt, sei es bei der Gestellung des Containers oder durch Staus auf den Autobahnen.

Als Beispiel führt Glomb einen in Nürnberg abzuholenden Exportcontainer an, für den man schon kurz vor der Übernahme einen passenden Slot buchen müsse, weil dieser zu einem späteren Zeitpunkt, an dem man den Slot indes viel besser kalkulieren könnte, schon ausgebucht ist. „Selbst wenn ein Lkw mal ohne Verzögerungen durch Verkehrsstaus, beim Leercontainerdepot oder beim Verlader durchkommt, passiert es oft, dass er auf der letzten Meile stecken bleibt“, erzählt Glomb. Die Zufahrt zu allen vier Hamburger Containerterminals läuft fast ausschließlich über den Knotenpunkt A7-Ausfahrt Waltershof nahe des Elbtunnels und der Köhlbrandbrücke, hier sind Staus an der Tagesordnung. Umso ärgerlicher, wenn der Lkw dann am Terminal-Gate selbst wegen eines nur knapp verpassten Slots keine Einfahrt erhält und wieder aus dem Hafen heraus muss, da er vor den Terminals nicht auf den neuen Slot warten darf und im weiteren Hafengebiet Parkplätze rar sind.

„Und selbst bei gebuchten und korrekt erreichten Slots erleben wir tagtäglich weiterhin exorbitante Abfertigungszeiten“, so Glomb. Die neue Slotbuchung bringt ihm bisher nur Nachteile. Für seine Disponenten und Fahrer habe sich der Arbeits- und Kontrollaufwand erheblich erhöht. Zudem führten inzwischen auch Containerdepotbetreiber wie Proteco Slotbuchungen ein, die nicht an das System von HHLA/Eurogate angeschlossen sind, sondern die Nutzung weiterer Webportale bzw. Schnittstellen notwendig machen. Auch verlangt zumindest Proteco gar eine Slot-Bearbeitungsgebühr.

Glomb stellt seinen Kunden den durch die Slotbuchung erhöhten Aufwand seit dem 1. Januar in Rechnung: neben einer Bearbeitungsgebühr werden auch Wartezeiten durch nicht-verfügbare Slots berechnet.

(aus: gela 02/18, www.gefaehrliche-ladung.de)

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