Konsolidierte Kritik

Netz – Stückgutverkehre sind gekennzeichnet von hoher Güterheterogenität und mehrmaligem Umbruch der Ladung. Was Gefahrgut angeht, beklagt die Branche ein dogmatisch starres Recht und zu viele Sondervorschriften.

(skl) Speditionelle Prozesse wie Auftragsmanagement, Dokumentenabwicklung, Befrachtung auf allen fünf Güterverkehrsträgern, Umschlag, Lagerung und Kommissionierung zeichnen sich durch ein hohes Maß an Komplexität aus. Dabei ist die Spedition oftmals nicht das Unternehmen, das Güter – ob gefährlich oder nicht – tatsächlich von A nach B transportiert. Sie kann es zwar sein, wenn sie mit eigenem Fuhrpark Transport­aufträge im Selbsteintritt ausführt. Allerdings ist und bleibt es die wesentliche Aufgabe des Spediteurs, Transporte und oben genannte Leistungen im Auftrag eines Dritten – meist aus Industrie oder Handel – zu organisieren.

Stückguttransporte gelten dabei als besonders komplex, da die beförderten Güter sich hinsichtlich Art, Sendungsgröße und Beförderungsweg von Tank-, Bulk- oder Komplettladungsverkehren unterscheiden. Stückguttransporte als Sammelladungen verschiedenster Güter sind organisatorisch wie frachtrechtlich anders zu behandeln als Ladungsverkehre, die zwischen Versender und Empfänger direkt und ohne weitere Umladungen erfolgen. "In speditionell betriebenen Stückgutsystemverkehren stellen gerade gefährliche Güter eine echte Herausforderung dar", sagte Frank Huster, der jetzige Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV), vor zwei Jahren anlässlich der Verleihung des Deutschen Gefahrgut-Preises.

Der Anteil von Gefahrgutsendungen in Sammelgutverkehren liegt nach Aussage des DSLV bei durchschnittlich drei Prozent. Bedenkt man aber, dass Speditionen allein in Deutschland pro Jahr knapp 200 Millionen Einzelsendungen im landgebundenen Stückgutverkehr befördern – Kurier-, Express- und Paket-Dienste (KEP-Dienste) nicht mitgerechnet – und eine Sendung ein Durchschnittsgewicht von 250 Kilogramm hat, so macht das 1,5 Millionen Tonnen Gefahrgut.

Trotz Ausschlüssen viel Gefahrgut

Innerhalb des Bereichs gefährlicher Güter setzt sich der heterogene Charakter des Stückguts fort, wobei die Stückgutspeditionen/-kooperationen:

  • die Klassen 1, 6.2 und 7 bis auf wenige Ausnahmen durchweg,
  • viele Stoffe der Klassen 4.1 und 5.2 (wie organische Peroxide) und
  • Güter mit hohem Gefahrenpotenzial sowie temperaturkontrollierte Güter sehr oft ausschließen.

Es werden verschiedenste Packstücke – vom Einzelkarton bis hin zum Kombi-IBC – transportiert. Der Aufwand für Handling, Dokumentation und generelle Sicherheitsanforderungen (allein für ADR-Bescheinigung des Fahrers, Fahrzeugausrüstung und Beförderungspapier) ist um Vieles höher als bei Nicht-Gefahrgut.

Was den Stückgutnetzen betreibenden Speditionen das Leben schwer macht, sind nicht zuletzt die Gefahrgutvorschriften. "Das ADR ist in seiner Struktur, die in der Regel mit klassischen Absender/Beförderer/Empfänger-Beziehungen arbeitet, bestenfalls zur Darstellung von Ladungsverkehren geeignet", sagt Jörg Roth, beim DSLV für Gefahrgut zuständig. In Verbindung mit der die Pflichten der Transportbeteiligten noch weiter ausführenden GGVSEB sei das ADR für den Stückgutlogistiker an vielen Stellen nicht praxistauglich.

Roth spricht wie sein Chef Huster von einem dogmatisch starren Gefahrgutrecht, auch wenn die internationale, verkehrsträgerübergreifende Harmonisierung natürlich grundsätzlich zu begrüßen ist. Immerhin sei man inzwischen in konstruktiven Gesprächen mit dem Gesetzgeber, etwa wenn es um die Pflichten als Verlader nach § 2 Nr. 3 GGVSEB geht, welche oft von Speditionsbetrieben zu erfüllen sind – gerade im Hinblick auf die Ladungssicherung.

Immer detailliertere Vorschriften

Die Stückgutbranche beklagt daneben die in den vergangenen Jahren immer detaillierter gewordenen Vorschriften, insbesondere in Bezug auf Sondervorschriften und Freistellungen. "Wir haben große Probleme, unter Freistellungen fallende Gefahrgüter zu erkennen, da hier keine Informationspflichten des Aufraggebers bestehen und mithin kein Beförderungspapier", so Claus-Dieter Helmke von DHL. So etwa bei Feuerzeugen (UN 1057), die oft gemäß SV 658 verschickt werden. Wenn solche Sendungen vom Vorlauf in den höhervolumigen Hauptlauf gehen und dort mit anderen Gefahrgütern in einer Beförderungseinheit die Mengenbegrenzung der Freistellung bzw. die Auflagen der zutreffenden Sondervorschrift überschreiten, liegen keine vollständigen Angaben für den dann mitunter unter das komplette ADR fallenden Transport vor.

Was für den Auftraggeber aus der Industrie eine Erleichterung für das Versenden mindergefährlicher Mengen ist, bedeutet für den Logistiker eine aufwändige Nacherfassung. Viele Speditionen gehen das Problem an, indem sie Begrenzte Mengen nach Kapitel 3.4 (LQ), Freigestellte Mengen (EQ) nach Kapitel 3.5 sowie Gefahrgüter(mengen), für die Freistellungen in Anspruch genommen werden, durch spezielle Felder in der EDV-gestützten Auftragsannahme mit dazugehörigen Gewichtsangaben erfassen. "Diese Daten werden zwischen unseren Netzwerkpartnern elektronisch übertragen und auch entsprechende Begleitpapiere ausgedruckt", so Andreas Beuermann, Gefahrgutbeauftragter der Stückgutkooperation System Alliance sowie des Systempartners Hellmann.

Ähnlich ist es bei der Stückgutkooperation 24plus: "In allen Hub- und Direktverkehren werden Auftrags- sowie Gefahrgutdaten, für die über das ADR hinausgehende Form- und Formatvorschriften bestehen, ebenfalls an die beteiligten Hubs und Partner übermittelt", so Ludger Rumker, Gefahrgutbeauftragter von 24plus. Rumker verweist wie der DSLV darauf, dass die Gefahrgutvorschriften Transporte in der Regel aus Sicht des Ladungsverkehrs oder auch aus Sicht des KEP-Bereichs definieren – das "Mittelding" Stückgut mit seinen besonderen Herausforderungen komme hier zu kurz.

Auch bei Kühne+Nagel sind für die anwendbaren Erleichterungen spezielle Felder in den IT-Systemen der Partner vorgesehen. "Die EDV übernimmt zum Großteil auch die Prüfung, ob eine Beförderung gemäß gefahrgutrechtlichen und unternehmensspezifischen Regeln überhaupt vonstatten gehen darf", so Gefahrgutbeauftragter Peter T. Schmidt.

"Auch bei Freistellungen nach Kapitel 3.4 und 3.5 wird bei uns ein Beförderungspapier erstellt bzw. in ein solches integriert", so Ulrich Püllen, zentraler Gefahrgutbeauftragter von Dachser. Dass anstelle eines ordnungsgemäßen Beförderungspapiers im heutigen ADR oftmals eine so genannten "Dokumentation" vorgeschrieben ist, sei theoretischer Unfug und in der Praxis nicht realisierbar. Püllen beklagt nebenbei, dass auch die Streichung des Begriffs "Beauftragte Person" und deren Schulungspflicht aus der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) alles andere als eine Glanzleistung war, was ebenfalls die praktische Arbeit des Gefahrgutbeauftragten im Unternehmen erschwere.

Insgesamt ist doch eine recht tiefsitzende Unzufriedenheit der Sammelgutspediteure mit den vielen Ausnahmen im Gefahrgutrecht zu konstatieren. "LQ, EQ und diverse Sondervorschriften wie die SV 188 für die erleichterte Beförderung von Lithiumbatterien sollten eigentlich aus dem ADR wieder verbannt werden", so Jürgen Beck von Schenker Deutschland. Sie wurden nur als Erleichterungen für die produzierende Wirtschaft ins Spiel gebracht, schaffen beim Transport aber Sicherheitsrisiken. Schwierig sei auch die mangelnde Harmonisierung mit anderen Rechtsbereichen wie dem Umweltrecht. Wenn Gefahrgut zum Beispiel auch gleichzeitig als gefährlicher Abfall klassifiziert ist, dürfen nicht mehr als eine Tonne dieser Güter am Tag disponiert werden – andernfalls unterliegt die Umschlaganlage der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV). Eine entsprechende Anpassung der 4. BImSchV in den Nummern 8.12 und 8.15 hatte des Bundesumweltministerium vor kurzem abgelehnt. Die Mengengrenze von einer Tonne am Tag einzuhalten, sei im Sammelgutverkehr eine große Herausforderung, so Beck.

Verlader und Ladungssicherung

Ein ganz großes Problem bleibt für die Spediteure auch die Ladungssicherung in den mehrmals umbrochenen Stückgutverkehren, für die nach der GGVSEB-Definition ein Verlader auch dann verantwortlich zeichnet, wenn er die Güter lediglich zum Transport übergibt und sie nicht tatsächlich verlädt. Im Sammelgutbereich fungiert wie erwähnt oft der Spediteur als Verlader, der zu beladene Lkw und der Fahrzeugführer kommen gerade im Nahverkehr von anderen Unternehmen. Um ihrer Verladerverantwortung gemäß § 29 GGVSEB Absatz 1 nachzukommen, haben viele Unternehmen ein Präsenzverfahren etabliert. "Hauseigenes Personal, das ohnehin in der Nähe der Ladetore tätig ist, hat den Auftrag, bei dieser Gelegenheit wachsam auf die Ladearbeiten zu schauen und bei jedem einzelnen erkannten Mangel sofort Abhilfe zu schaffen", so Peter T. Schmidt. Dies werde bei Kühne+Nagel dokumentiert und führe zu guten Erfolgen. Die Verantwortung des Bereitstellers für die Ladungssicherung sei aber nicht mit einer 100-prozentigen Begutachtung jeder Sendung gleichzusetzen. "Es ist einem verantwortlichen Leiter der Ladearbeiten nicht anzulasten, wenn an irgendeiner Stelle in irgendeinem von 200 täglich an einem Standort beladenen Fahrzeugen eine Staulücke übersehen wird."

Abgesehen davon, dass für eine ausreichende Ladungssicherung beide Transportbeteiligte verantwortlich zeichnen, sind die sich in Größe, Gewicht, Versandstückzahl stark unterscheidenden Sendungen in den zudem meist mehrmals umbrochenen Stückgutverkehren schwierig zu sichern. Die Stückgutnetzbetreiber bevorzugen dabei verschiedene Methoden. Während etwa System Alliance und Dachser auf eine Kombination aus Kraftschluss (Zurrgurte), Formschluss (mit Klemmbrettern/-stangen, Stausäcken – unter anderem gefüllt mit Verpackungsfolie nach deren Gebrauch) und Antirutschmatten setzen, favorisieren andere wie Kühne+Nagel eine rein formschlüssige Sicherung. "Und im Nahverkehr sehe ich als effiziente Methode eigentlich nur Ladungssicherungsnetze", so Jürgen Beck von Schenker.

(aus: gela 03/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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