Ebola im Griff

Pandemie – Auch wenn die große Ebola-Welle erstmal vorbei ist, so treibt das Thema hierzulande Krankenhäuser mit Isolierstationen sowie Sondermüllverbrenner um. Im Herbst 2014 war man noch relativ unvorbereitet.

(skl) Das Risiko einer Einschleppung von Ebolafieber mit anschließender Weiterverbreitung in Deutschland ist zwar offiziell gering. Doch das Virus stellte selbst jene drei Spezialkrankenhäuser vor neue Herausforderungen, die im Herbst 2014 jeweils einen Ebola-Infizierten behandelten. Die Krankenhäuser in Frankfurt, Hamburg und Leipzig gehören zu einem Netzwerk von insgesamt sieben Kompetenz- und Behandlungsstationen, die sich in Deutschland auf den Umgang mit lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten spezialisiert haben. Sie verfügen über Sonderisolierstationen, die unter anderem mit einem Schleusensystem mit wechselseitig öffnenden Türen, Unterdruck im Patientenzimmer (im Zweifel strömt so immer Luft in die Station statt aus ihr heraus) sowie desinfektionsfähigen Böden und Wänden ausgestattet sind.

Problematisch war im Herbst aber nicht nur der Umgang mit den Ebola-Kranken, von denen einer die Infektion nicht überlebte, sondern auch die Entsorgung der angefallenen Abfälle. "Es mangelte schlichtweg an Verpackungen in geeigneter Größe, um die als hochinfektiös einzustufenden Abfälle sicher zu entsorgen", so Tide Voigt, Gefahrgutbeauftragte an der Berliner Charité. Die Mengen, die hier zusammenkamen, sind beträchtlich. Für die Versorgung eines Ebola-Patienten fallen auch durch die auf maximal drei Stunden verkürzten Schichten des Personals bis zu 75 Einweg-Schutzanzüge am Tag an – bei einer vorgeschriebenen Liegezeit von 40 Tagen macht das 3.000 Schutzanzüge pro Behandlung. Hinzu kommen Handschuhe, Bettwäsche bis hin zu Ma­tratzen, Geschirr, medizinisches Material und Instrumente etwa für die vielen Infusionen.

Ebola-Abfälle sind wie die Ebola-Erreger an sich bzw. dia­gnostische Proben, bei denen davon auszugehen ist, dass sie Erreger enthalten können, als "Ansteckungsgefährlicher Stoff, gefährlich für Menschen" (UN 2814) einzuordnen und zu befördern. Sie sind also nicht als "Klinischer Abfall, unspezifiziert" (UN 3291) wie andere, potenziell infektiöse Krankenhausabfälle zu klassifizieren. Für UN 2814 gelten die rigiden Anforderungen der P620: die Verpackungsanweisung schreibt eine Dreifachverpackung (aus jeweils flüssigkeitsdichtem Primärgefäß und Sekundärgefäß und starrer Außenverpackung als Fass, Kiste oder Kanister) sowie eine Innendruckprüfung mit einem Druckunterschied von mindestens 95 kPa vor. Zudem wird in der P620 auf das Kapitel 6.3 der UN-Recommendations Bezug genommen – und genau hier liegt das Problem.

Unter anderem ist hier für Verpackungen zum Transport ansteckungsgefährlicher Stoffe der Kategorie A, zu denen das Ebola-Virus neben anderen, meist exotischen Erregern gemäß Tabelle in 2.2.62 ADR gehört, ein Falltest aus neun Metern Höhe vorgeschrieben (6.3.5.3 ADR). Die kleinen Verpackungen für medizinische Proben überstehen diesen auch problemlos – selbst solche mit Außenverpackungen aus Wellpappe, die zuvor eine Stunde mit 50 mm Wasser beregnet worden sein müssen (6.3.5.3.6.1). Weil größere, schwerere Behältnisse aber ebenso zu 98 Prozent mit Flüssigkeit gefüllt sein müssen (6.3.5.2 ADR), würden sie solche Fallversuche nicht bestehen. "Zurzeit gibt es in Deutschland und anderen Ländern der Europäischen Union keine zugelassenen Verpackungen für den Transport vom infektiösem Abfall der Kategorie A über 30 Liter Inhalt, die in vollem Umfang der Verpackungsvorschrift P620 entsprechen", so Dr. Thomas Goedecke vom Fachbereich 3.1 "Gefahrgutverpackungen" der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Abhilfe aus dem Entsorgungsstau schuf die am 27. November vom Bundesverkehrsministerium veröffentliche Multilaterale Vereinbarung M281 auf Basis des Abschnitts 1.5.1 ADN. Diese erlaubt eine Dreifachverpackung für Abfall, der mit hämorrhagisches Fieber auslösenden Viren verunreinigt ist, bestehend aus:

  • einem gemäß den Prüfanforderungen für Verpackungsgruppe (VG) II geprüften Kunststofffass als Innenverpackung, das eine für den Inhalt ausreichende Menge an inertem Saugmaterial enthalten sowie von außen desinfiziert werden muss,
  • einem flüssigkeitsdichten Kunststoffsack mit einer Mindestdicke von 0,075 mm (empfohlen werden 0,1 mm), der nach Einbringen der Innenverpackung dicht verschlossen werden muss (etwa mit zwei Kabelbindern),
  • einem nach VG I geprüften, starren Kunststofffass bzw. -kiste, in das die Kombination aus Innenverpackung und Inliner mitsamt Polstermaterial so einzubringen ist, dass es zu keinen Beschädigungen kommen kann; zudem darf die Außenverpackung nach dem Befüllen und Verschließen nicht wieder zu öffnen sein und muss desinfiziert werden.

Für die Außenverpackungen werden durch die M281 nun jene blauen Kunststofffässer genutzt, mit denen auch potenziell infektiöse, klinische Abfälle (UN 3291) entsorgt werden. Krankenhaus- und Entsorgungspersonal sind an deren Handling gewöhnt, die Fässer passen genau in die Einfüllöffnungen der Sondermüllverbrennungsanlagen. Allerdings schreibt die M281 zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für die Beförderungen vor, die noch über das ADR hinausgehen. So muss der Beförderer:

  • die Entsorgung in einer Fahrt ohne Zwischenstopps durchführen (es sei denn, das Fahrzeug wird jederzeit überwacht),
  • über einen Austrittsnotfallplan verfügen und bei Leckagen unter Zuhilfenahme der Persönlichen Schutzausrüstung die vollständige Beseitigung ausgetretener Stoffe und die Dekontamination des Austrittsbereichs vornehmen (wobei man sich hier durchaus fragen kann, wie realistisch diese Vorgabe ist),
  • das Fahrzeug vor der nächsten Beladung dekontaminieren.

Zudem müssen auch die Auflagen des ADR-Kapitels 1.10 beachtet werden, das ja gemäß der Liste der Güter mit hohem Gefahrenpotenzial in 1.10.3.1.2 auch für ansteckungsgefährliche Stoffe (UN 2814) gilt. Als Hilfe für die Transportbeteiligten – gerade für das damit befasste Personal in Krankenhäusern, das mitunter recht unbedarft in Sachen Gefahrgutrecht ist –, hat das RKI diverse Musterdokumente erstellt und (auch online) veröffentlicht:

  • eine Musteranleitung für das Verpacken nach M281 einschließlich Übergabe von UN 2814-Abfällen an Transportunternehmen, welche zuvor vom Absender/Verpacker neben der Identitätsprüfung auf das Vorhandensein aller erforderlichen Papiere zu überprüfen sind,
  • ein Musterbeförderungspapier, in dem auf die M281 bzw. ADR 1.5.1 verwiesen wird,
  • einen Mustersicherungsplan für UN 2814 mit Maßnahmen zur Sicherung/zur Vermeidung von Risiken nach ADR 1.10.3.2.

 

Verpackungsschema für Ebola-Abfälle

Verpackungsschema für Ebola-Abfälle gemäß M281

 

Aufbau einer Sonder-Isolierstation

Aufbau einer Sonder-Isolierstation: Der Patientenbereich, in dem Unterdruck herrscht, ist durch ein Schleusensystem vom Außenbereich getrennt.

 

Weitere Sicherheitsvorschriften

Zu beachten ist außerdem, dass gemäß M281 verpackte, hochinfektiöse Abfälle nur in gesicherten Bereichen übergeben werden dürfen, sie müssen auf den Fahrzeugen gegen den Zugriff Dritter geschützt sein (d.h. Koffer- statt Planenfahrzeuge). "Desweiteren ist eine geeignete Ladungssicherung anzubringen und ein Stapelverbot zu beachten", so Tide Voigt.

Rahmenkonzept Ebolafieber

Weil es selbst in den eingangs erwähnten Behandlungszen­tren trotz guter technischer Ausstattung an Erfahrungen im Umgang mit Ebola-Erkrankten mangelte und viele offene Detailfragen zutage traten, wurde unter Federführung des Robert-Koch-Instituts ein "Rahmenkonzept Ebolafieber" erarbeitet und im Dezember 2014 veröffentlicht. Das Dokument hat 46 Seiten – und 21 Anhänge, die zum Teil auf weitere Informa­tionspapiere, Leitfäden und Richtlinien verweisen. Der Großteil des Rahmenkonzepts befasst sich mit seuchenhygienischen Maßnahmen sowie Schutzmaßnahmen für das Personal. So hat das speziell zu schulende Krankenhauspersonal auf den Sonderisolierstationen einen gebläseunterstützten Atemschutz nach DIN EN 12941 und Einmalschutzanzüge der Kategorie III, Typ 3B mit Füßlingen gemäß der Technischen Regel Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen (TRBA) 250 zu tragen. Alle Oberflächen, die mit Körperflüssigkeiten von Ebola-Patienten in direkten Kontakt gekommen sind bzw. sein könnten, sowie Hautkontaktflächen sind mittels sorgfältiger Wischdesinfektion zu desinfizieren. Hierfür sind nur Mittel mit dem Wirkungsbereich AB (Abtötung von Bakterien und Inaktivierung von Viren) aus der "Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren" (RKI-Liste) zu verwenden. In der Regel kommen hier Peressigsäure oder Formaldehyd zum Einsatz, so auch beim Verpacken der Abfälle gemäß M281.

Ein kleinerer Teil des Konzepts befasst sich mit der Entsorgung von Abfällen und Abwasser. "Vorzugsweise sollten hochkontagiöse Abfälle wie sie bei der Behandlung von Ebola-Kranken anfallen, vor Ort in Durchreiche-Autoklaven inaktiviert werden", so Prof. Dr. Roland Grunow vom Robert-Koch-Institut. Nach einer Inaktivierung könnten sie dann sogar als so genannte B-Abfälle in die Sondermüllverbrennungsanlagen befördert und dort vernichtet werden. Normalerweise wird infektiöser Abfall abfallrechtlich als C-Abfall unter der Abfallschlüsselnummer 18 01 03 (Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden) eingestuft und befördert.

In den meisten Fällen verfügen aber gerade die nicht auf Infektionskrankheiten spezialisierten Kliniken, in denen Patienten (zunächst) auch anlanden können, nicht über solche Autoklaven. Somit kam es bei der Entsorgung der Abfälle in Zusammenhang mit den drei Ebola-Behandlungen im vergangenen Herbst nicht nur aufgrund der geschilderten Verpackungsproblematik zu Schwierigkeiten. Einige der Sondermüllverbrennungsanlagen in Deutschland verweigerten den Abtransport bzw. die Annahme der Abfälle. Dabei sind die SAV gemäß der jüngst überarbeiteten LAGA-Vollzugshilfe 18 (Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall) zur Entsorgung aller infektiösen Abfälle verpflichtet. Doch es bestehen in der Branche offenbar Widerstände und Ängste, wie sich auf einer gemeinsamen Veranstaltung von BAM und RKI Ende Februar in Berlin zeigte: Während der eine Anlagenbetreiber auf gängige Verfahren verwies, die auch Ebola-Abfälle pro­blemlos mit abdecken, hatte der nächste mit Extramaßnahmen wie der Aufklärung der Mitarbeiter reagiert, andere wiederum lehnten die Abfälle schlicht ab. Dabei sind gemäß M281 verpackte Abfälle wegen der mehrmaligen Desinfektion eigentlich als sicherer anzusehen als andere infektiöse C-Abfälle.

Als Ergebnis der Info-Veranstaltung hat der Bundesverband Deutscher Sonderabfallverbrennungs-Anlagen (BDSAV) im März diejenigen Anlagen des Verbandes gegenüber dem RKI benannt, die künftig Ebola-Abfälle annehmen. Dies sind:

  • AVG in Hamburg
  • MEAB in Schöneiche (Berlin)
  • AGR in Herten (NRW)
  • Infraserv Höchst in Frankfurt
  • HIM in Biebesheim (Hessen)
  • GSB in Ebenhausen (Bayern)

"Da diese Anlagen regional gut über Deutschland verteilt sind, ist beim Auftreten von Ebola-Fällen die Entsorgung der Abfälle ortsnah möglich", so BDSAV-Geschäfsführer Dr. Andreas Neuss.

 

Verpackung gemäß P620

Verpackungen gemäß P620 erhalten eine UN-Kennzeichnung, die anstelle des Verpackungsgruppen-Codes (X, Y oder Z), der Bruttomasse und des Buchstaben "S" den Code "Class 6.2" enthält. Damit sind diese Verpackungen eindeutig von "normalen" Gefahrgutverpackungen unterscheidbar. Die hier gezeigte Verpackung ist für einen Transport von ansteckungsgefährlichen Stoffen der Kategorie A zugelassen. Damit ist sie u.a. für Blutproben von Patienten mit Verdacht auf Ebola geeignet. Die Proben müssen zur Diagnostik in eines der beiden in Deutschland existierenden Labore mit höchster Sicherheitsstufe (S4) befördert werden: dem Konsiliarlaboratorium für Filoviren der Uni Marburg oder dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Für Ebola-Abfälle ist die Alu-Kiste mit einer Bruttomasse von 6,1 Kilogramm – wie alle anderen P620-Verpackungen auf dem Markt – nicht konzipiert.

 

Ausblick

Wie es nach dem Auslaufen der M281 Ende nächsten Jahres weitergeht, ist nicht abzusehen. Vielleicht wird diese verlängert. Man kann sich natürlich auch fragen, ob Verpackungen für hochinfektiöse Abfälle überhaupt nach den strengen Kriterien des Kapitel 6.3 der UN-Recommendations geprüft werden müssen. Ob die Verpackungsindustrie bis 2016 großvolumigere Verpackungen als bislang entwickelt, die die P620 erfüllen, bleibt abzuwarten.

 

Ebolaviren und die Ansteckungsgefahr
Das Ebola-Fieber zählt zu einer von insgesamt vier Gruppen des hämorrhagischen Fiebers. Nach der Inkubationszeit von maximal 21 Tagen kommt es hier außer zu hohem Fieber oft auch zu unerklärlichen Blutungen, da das Virus die Gefäßpermeabilität und Blutgerinnung stört. Knapp 60 Prozent der Erkrankten sterben – zumindest ist dies bei dem seit gut einem Jahr andauernden, bislang größten Ebola-Ausbruch in Westafrika so. Die Übertragung von Mensch zu Mensch passiert durch direkten Körperkontakt oder Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Die fadenförmigen Ebolaviren können außerhalb des Körpers einige Tage infektionsfähig bleiben. Somit ist eine Ansteckung auch über Gegenstände wie Spritzen, Bettwäsche oder Abwässer, die mit hochinfektiösen Körperflüssigkeiten kontaminiert sind, möglich.

 

Dass das Ebolafieber unkontrolliert in Deutschland eingeschleppt wird, ist laut Robert-Koch-Institut sehr unwahrscheinlich. Von 100 Flugreisenden aus den drei am stärksten betroffenen Staaten Westafrikas hat nur eine Person Deutschland zum Ziel, es gibt keine Direktflüge. Es finden Ausreisekontrollen statt. Nicht zuletzt geht die Epidemie langsam zurück: so berichtet die Weltgesundheistorganisation nur noch von einzelnen Neuansteckungen in Liberia; auch in Guinea und Sierra Leone sinken die Fallzahlen.

Die derzeitige Ebola-Epidemie mit bisher 10.700 bestätigten Todesopfern ging laut einem internationalen Forscherteam von einem zweijährigen Jungen aus einem Dorf in Guinea aus, er hatte sich beim Spielen in einem hohlen Baumstamm an einer Fledermaus infiziert. Ebolaviren, die sich in fünf Spezies aufteilen, wurden zum ersten Mal 1976 in Zaire (heute DR Kongo) entdeckt; sie traten nahezu gleichzeitig im Sudan auf. Die Gattung wurde nach dem kongolesischen Fluss Ebola benannt, in dessen Nähe es zum ersten allgemein bekannten Ausbruch kam.

(aus: gela 05/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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