Auf der Schiene zur See

Hafenbahn – Zwölf Prozent aller Güterverkehre auf dem deutschen Schienennetz beginnen oder enden im Hamburger Hafen. Ein neues Datenerfassungssystem im Hafen soll die Transportorganisation optimieren.

Von Stefan Klein

 

Hamburg ist Europas größter Eisenbahnhafen, pro Jahr werden hier 46 Millionen Tonnen Güter per Bahn befördert. Das Schienennetz im Hafen wird von der Hamburger Hafenbahn betrieben, die zur Hamburg Port Authority (HPA) gehört. Täglich verkehren rund 200 Güterzüge mit insgesamt über 5.000 Waggons auf den mehr als 300 Kilometer Gleisen, von denen die Hälfte elektrifiziert ist.

Gegründet wurde die Hamburger Hafenbahn vor 150 Jahren als einfaches Anschlussgleis zwischen dem Berliner Bahnhof und dem Sandtorkai in der Speicherstadt. Heute stellt die Hafenbahn das Bindeglied zwischen den Kaibetrieben (vor allem den vier großen Containerterminals)und dem deutschen und europäischen Schienennetz dar.

Die Hafenbahn mit ihren 170 Mitarbeitern – das ist etwa ein Zehntel der Belegschaft der gesamten HPA – fährt selbst keine Züge, sondern besitzt nur Fahrzeuge zur Unterhaltung ihres Gleisnetzes. Sie verschafft derzeit 125 Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) einen diskriminierungsfreien Zugang zur Schieneninfrastruktur im Hafen und zu den Gleisanschlüssen von insgesamt 80 Unternehmen. Dabei vergisst die HPA – dem Image des Schienengüterverkehrs entsprechend – nicht das Thema Nachhaltigkeit: So führte man als Vorreiter in Europa ökologische Entgeltkomponenten in die Gebührenordnung für die Gleisnutzung ein.

In den vergangenen Jahren verzeichnete die Hafenbahn Jahr für Jahr Steigerungsraten, und das obwohl in Deutschlands größtem Hafen der Umschlag von Containern als wichtigstes Gütersegment mehr oder weniger stagnierte. Im Jahr 2016 erreichte die Hamburger Hafenbahn dann den Rekordwert von 2,4 Millionen 20-Fuß-Standardcontainern – das sind etwa so viele wie in den anderen großen Nordseehäfen Bremerhaven, Rotterdam und Antwerpen zusammen per Bahn zum Hafen oder aus ihm heraus gelangen. Der "Bahn-Boom" in Hamburg führte dazu, dass sich der Modal Split im Hinterlandverkehr des Hafens verschob: der Anteil der Bahn am gesamten Güter-Hinterlandverkehr ist mit 45 Prozent erstmals seit Jahrzehnten höher als der des Lkw mit 42 Prozent, der Rest entfällt auf die Binnenschifffahrt.

Ein IT-gestütztes Verkehrsmanagementsystem sorgt dafür, dass die Bahnverkehre im Hafen präzise getaktet sind: transPORT rail regelt als Nachfolger des an seine technologischen Grenzen gestoßenen Hafenbahnbetriebs- und Informationssystems (Habis) seit 2015 den Datenaustausch zwischen den Transportbeteiligten. Es bildet alle Zugfahrten, Gleisbelegungen und Ladevorgänge von Eisenbahnen im Hafengebiet ab. Die Nutzer des offenen, mobilfunkfähigen Systems (HPA, EVU, Bahnspeditionen und Kaibetriebe) können dabei über eine Datenschnittstelle weitgehend automatisiert kommunizieren. Angeschlossen sind außerdem Behörden wie die Wasserschutzpolizei – die Anmeldung von gefährlichen Gütern an deren Gefahrgutinformationssystem (Gegis) kann über transPORT rail erfolgen.

Bilderfassung statt RFID

Daneben beginnt die HPA in diesem Jahr mit der Errichtung eines Bilderfassungssystems für eine automatisierte Wagendatenerkennung. Insgesamt soll es drei der auch Rail Data Gate genannten Stationen in den Stadtteilen Veddel, Wilhelmsburg und Hausbruch geben – immer da, wo die Hafenbahn an das DB-Netz anschließt. "Zunächst bauen wir die Station in Hamburg-Hausbruch als Piloten", so Hafenbahn-Chef Harald Kreft. Über die dortige zweigleisige Strecke verkehren vor allem Containerzüge vom und zum Bahnhof Alte Süderelbe, der nahe der vier Containerterminals im westlichen Hafen liegt.

Die Züge fahren an dem von jeder Seite mit zwei LED-Kameras bestückten Rail Data Gate mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h vorbei. Dabei werden sie von beiden Seiten in einer Bildsequenz fotografiert und mit Gleissensoren abgetastet. Radiofrequenzidentifikation (RFID) kommt nicht zum Einsatz, da man dazu auch alle Bahnwagen, die aus ganz Europa nach Hamburg kommen, mit Transpondern hätte ausrüsten müssen.

Aus den Bilddateien der Kameras werden dann folgende Informationen extrahiert: Wagennummer, Wagenreihenfolge, Containernummer, Containerreihenfolge, ggf. Gefahrgutdaten, Wagenlänge sowie Flachstellen am Wagenrad. Die zunächst bei der HPA auflaufenden Daten ergänzen die bereits heute im transPORT rail-Portal vorgemeldeten Daten, so dass künftig allen Transportbeteiligten eine zusätzliche Informationsquelle bzw. ein Datenabgleich zur Verfügung steht. Denn allzu oft sind Wagen wegen betrieblicher Gegebenheiten im Hinterlandterminal oder Rangierbahnhof eben doch anders gereiht als geplant. Auch Zahlendreher bei der manuellen Erfassung etwa von UN-Nummern kommen immer wieder vor. Und über die genaue Zuglänge – wichtig für Rangierarbeiten – bestehen bisher eigentlich immer Unsicherheiten.

Neben einer gesteigerten Datenqualität können durch den Einsatz der Rail Data Gates mittelfristig auch bestimmte Zug- und Wagenkontrollen überflüssig werden. "Wir wollen damit vor allem EVU von der Transporterfassung entlasten", sagt Kreft. "So können künftig schon bei Ausfahrt eines im Hafenbahnhof zusammengestellten Containerzuges alle Daten an das Hinterlandterminal übermittelt werden, das der Zug anfährt." Dort könne man sich dann optimal auf die Entladungsprozesse vorbereiten. Auch die Übergabe der Züge von den Rangierunternehmen im Hafen zu den auf der Strecke tätigen EVU und umgekehrt lässt sich mit den vom Gate verifizierten Informationen schneller gestalten. Dabei sollen immer nur die benötigten wagenbezogenen Daten weitergegeben werden, keine Informationen über die Fracht.

Großes Ziel des Projektes sind also effizientere Transportabläufe auf der Schiene durch den Austausch von Daten. Die durchschnittliche Verweildauer eines Zuges im Hafen soll um mindestens mehrere Stunden gesenkt werden. Daneben hilft die Dokumentation von Bahnwagen und Container per Foto auch bei haftungsrechtlichen Problemen: es ist leichter festzustellen, in wessen Verantwortung ein Schaden am Transportequipment entstanden ist.

Kessel-und Schüttgutwagen

Das neue Bilderfassungssystem eignet sich nicht nur für Containerzüge bzw. -tragwagen. Es funktioniert auch für Kesselwagen, die insbesondere von und zu den Tanklägern im Hamburger Hafen verkehren. Oder für die Schüttgutwagen der täglich rund fünf Erzzüge und zehn Kohlezüge, die vom Massenguthafen Hansaport abfahren. Die Eisenerzzüge sind mit einer Ladung von rund 4.000 Tonnen (100 Tonnen pro Waggon) die schwersten Züge Deutschlands. Die sechsachsigen Wagen werden von zwei Loks gezogen und sind durch eine automatische Mittelpufferkupplung statt der herkömmlichen Schraubenkupplung miteinander verbunden.

(aus: gela 02/17, www.gefaehrliche-ladung.de)

Produktempfehlungen

Gefahrgut-Newsletter.png
ecomed-Storck Gefahrgut

Rund um Gefahrgut bestens bedient: Der Newsletter Gefahrgut bringt Sie wöchentlich auf den aktuellen Stand mit top-aktuellen Meldungen von gefahrgut.de. Tipps zu unseren Produkten und Veranstaltungen sowie hilfreiche Hintergrundinfos erhalten Sie monatlich in einer Spezial-Ausgabe. So bleiben Sie in Sachen Gefahrgut auf dem Laufenden!

Kontakt & Service

E-Mail: kundenservice@ecomed-storck.de | Telefon: +49 (0)89 2183-7922 | Telefax: +49 (0)89 2183-7620

Themen | Gefahrgut-Foren | Veranstaltungen | Int. Gefahrgut-Tage Hamburg | Deutscher Gefahrgut-Preis | Shop

Newsletter | Verlag | Kontakt | Impressum | AGB | Datenschutz | Datenschutz-Einstellungen

Weitere Online-Angebote der ecomed-Storck GmbH

gefaehrliche-ladung.de | der-gefahrgut-beauftragte.de | gefahrgut-foren.de | adr-2023.de