Konzentration auf Kombiverkehre

Straßeninfarkt – Tief im Westen Deutschlands wird die Verkehrssituation für Chemieindustrie und Chemielogistiker immer dramatischer. Kombinierte Verkehre könnten ein wenig helfen, die Not zu lindern.

(skl) Gerade hatten sich die Spediteure mit der dauerhaften Sperrung der A?1 über die marode Leverkusener Rheinbrücke für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen abgefunden – immerhin steht seit Mitte März auch der Bauplan für den Neubau der maroden Brücke mit Fertigstellungstermin im Jahr 2020 fest –, da wurde im Februar knapp 200 Kilometer rheinaufwärts die Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden dicht gemacht. An der Brücke waren Risse entdeckt worden, nachdem sich ein Pfeiler der Vorbrücke deutlich geneigt hatte. Die Vollsperrung dauert bis in den April an. Auch hier wird es wohl aber zu einer dauerhaften Sperrung für Lkw kommen.

Die anhaltenden Sperrungen von Straßenbrücken im Westen Deutschlands, die oft rund 50 Jahre auf dem Buckel haben und nicht für die heutigen Belastungen konstruiert wurden, sind die herausragenden Beispiele für den inzwischen alarmierenden Zustand der Verkehrsinfrastruktur. Die Sperrungen treffen vor allem den Straßengüterverkehr – und an diesem machen im Rheinland Chemietransporte einen nicht unwesentlichen Anteil aus.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat die Situation schon länger im Auge und im vergangenen Jahr mit der Gründung der Initiative Verkehrsinfrastruktur reagiert. "Die Infrastruktur spielt bei der Standortfrage definitiv eine wichtigere Rolle als noch vor fünf Jahren", so Gerd Deimel, Sprecher der Initiative und im Hauptberuf Vice President von Lanxess Deutschland. "Wenn gerade in Nordrhein-Westfalen immer mehr Straßen und Brücken gesperrt werden, gefährdet das die eng getakteten Logistikketten in der Chemieindustrie und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Branche."

In Deutschland werden pro Jahr 226 Millionen Tonnen chemische Güter produziert, 60 Prozent der Produktion werden laut VCI über die Straße befördert. Die Branche ist zweitgrößter Auftraggeber von Transportdienstleistungen. In Nordrhein-Westfalen, Deutschlands größtem Industriestandort, ist die Chemische Industrie mit Abstand umsatzstärkster Industriezweig. Vom gesamten Jahresumsatz der deutschen Chemieindustrie wird ungefähr ein Drittel allein in dem Bundesland generiert.

Die VCI-Initiative plant nun, einen Infrastrukturindex aufzulegen, der sich mit dem Zustand der Infrastruktur und den (volks-)wirtschaftlichen Folgen befasst. Es soll so auch besser dokumentiert werden, was es eigentlich bedeutet, wenn Transporte ausfallen, wie viel dies kostet und welche Leistungen dadurch nicht mehr erbracht werden können.

"Die Straßensperrungen sind inzwischen ein großes Problem für uns", bestätigt Jan Westenberger, Logistikleiter bei der auf Chemietransporte spezialisierten Spedition Klaeser. Das in Herten am Rande des Ruhrgebiets beheimatete Unternehmen fährt viele Touren innerhalb von Nordrhein-Westfalen, etwa nach Köln, Duisburg oder Gelsenkirchen. Die zunehmenden Sperrungen bedeuten immer mehr Umwege, wobei es auf den überlasteten Umleitungsstrecken noch viel öfter als früher zu Staus kommt. Jeder Umweg kostet Zeit und Geld für Sprit und Maut. Auch die Standzeiten bei Be- und Entladungen nehmen zu, da die Ankunftszeiten der Tankzüge unberechenbarer und Zeitfenster verfehlt werden; die Lkw schaffen weniger Rundläufe. "Im Vergleich zu früher haben vor allem Subunternehmer am Ende des Tages oft mal 20 Euro weniger in der Tasche", so Westenberger. Die Transportverträge mit der Chemischen Industrie liefen indes über mehrere Jahre und seien im Hinblick auf Verkehrsinfrastrukturprobleme schwer nachverhandelbar.

Chancen, dem Verkehrsinfarkt zu entgehen, bietet die Verlagerung auf intermodale Verkehre. "Kombinierte Verkehre werden und müssen zunehmen", heißt es in der Studie "Chemielogistik im Rheinland", die das Chemie-Netzwerk ChemCologne im vergangenen Jahr vorstellte. "Während die Straßeninfrastruktur deutlich an ihre Grenzen stößt, bieten das Binnenschiff und die Bahn grundsätzlich noch Potenziale." Insbesondere die Verknüpfung der Verkehrsträger muss laut Studie weiter an Bedeutung gewinnen. Angesichts der Tatsache, dass Nordrhein-Westfalen seine Stellung als Transitland Nr.?1 für Chemiegüter künftig weiter ausbauen wird – nicht zuletzt wegen der steigenden Grundstoff-Importe, die in Antwerpen und Rotterdam anlanden, um von dort Richtung Kontinentaleuropa weiterbefördert zu werden – sei der Investitions- und Instandhaltungswille in chemielogistische Infrastruktur sowohl auf öffentlicher als auch auf privatwirtschaftlicher Seite aber viel zu gering.

Intermodale Investitionen

Hier und da bauen westdeutsche Chemielogistiker immerhin ihre Lager- und Transportkapazitäten für den Kombinierten Verkehr (KV) etwas aus. So erweitert Lehnkering Chemical Transport (LCT) das Betriebsgelände im Duisburger Hafen um 3.200 Quadratmeter, damit erhöhen sich dort die Stellplatzflächen für Tankcontainer um 30 Prozent. Derzeit läuft außerdem die Auslieferung 100 neuer Tankcontainer an LCT. Die Swap Bodies mit einem Fassungsvermögen von jeweils 30 Kubikmetern und drei Schwallwänden sind aus korrosions- und säurebeständigem Edelstahl und verfügen über eine Innengummierung sowie eine Isolierung. "Somit sind sie für eine große Bandbreite von Chemikalien mit Temperaturen zwischen –40 und +130 °C einsetzbar", sagt LCT-Geschäftsführer Steffen Bauer. "Da Standard-Container in relativ großer Anzahl am Markt vorhanden sind, erweitern wir unsere Flotte derzeit um spezialisierte Tanks für den Einsatz in der Spezialchemie." Die neuen, leer nur 4,04 Tonnen schweren Transporteinheiten werden in erster Linie per Bahn befördert.

Ebenfalls in Duisburg baut der Tankcontainer-Logistiker Köppen seine Stellplatzkapazitäten aus. Grund hierfür ist u.a. ein 2014 abgeschlossener Vertrag mit Bayer Crop Science.

Und auch der Schweizer Chemielogistiker Bertschi schafft an seinem 2010 eröffneten Duisburg Kombi-Terminal (DKT) neue Lagerflächen. Künftig soll dort neben dem verstärkten Bahn-Umschlag auch die Lagerung von bis zu 375 Gefahrgut-Tankcontainern angeboten werden. Das Lager ist mit einem speziellen Wannen- und Trennwandsystem ausgerüstet. Neben dem KV-Prinzip an sich bietet der Einsatz von Tankcontainern für die Chemieindustrie einen weiteren Vorteil: "Sie will ihre Rohstoffe vor der Verwendung vermehrt flexibel zwischenlagern, idealerweise direkt im Tankcontainer", so Hans-Jörg Bertschi. Das spart Kapazitäten in den Produktionsstandorten. Die Zwischenlagerung nehme auch daher zu, weil die Lieferketten durch den verstärkten Bezug von Rohstoffen außerhalb Europas immer länger, die Rohstoffe dann aber oft erst just-in-time beim Kunden benötigt werden.

Blick in den Norden

Neben dem Rheinland haben auch andere Regionen, die über große Chemieansiedlungen verfügen, eine überlastete Straßeninfrastruktur, auch hier gibt es Ansätze für mehr KV-Verkehre. So nutzt etwa die Brunsbütteler Spedition F.A. Kruse jun. erst seit Ende 2014 einen Gleisanschluss auf dem Betriebsgelände, den es bereits seit einem Vierteljahrhundert gibt, für ihren neuen "Brunsbüttel Shuttle". Der Zug mit derzeit bis zu 16 Tankcontainern wird von DB Schenker BTT zum KV-Terminal Hamburg-Billwerder gefahren, dort geht es dann auf andere Züge. Kruse fungiert als Terminalbetreiber im ChemCoast-Park Brunsbüttel, erst vor kurzem hatte das Unternehmen dort eine 17.000 m2 große Container-Lagerfläche fertiggestellt.

Hintergrund des ungewöhnlich kurzen KV-Zugs mit ebenso kurzer Relation ist, dass die Baustellen der Hamburg durchquerenden A?7 noch die nächsten 20 Jahre für Staus und Umwege sorgen werden. Die Spedition Kruse ist mit ihren Transporten aber längst in die Beschaffungspläne großer Chemieunternehmen inte­griert, durch die Straßen-Engpässe kommt diese Taktung durcheinander. "Daher haben die Brunsbütteler Werke von Bayer und Sasol die Schienenanbindung ins Spiel gebracht", so Speditions-Chef Friedrich A. Kruse. Außerdem wachse gerade in Hamburg der Druck auf Firmen, deren Lkw Chemikalien über die Straße ans Ziel bringen, auf die Schiene auszuweichen.

(aus: gela 04/15, www.gefaehrliche-ladung.de)

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