Ein neues Feld

Fahrzeugbau – Für die Baumusterzulassung von Tankfahrzeugen ist seit 2013 die BAM zuständig, zuvor waren es die Bundesländer. Bei der Umstellung galt es, einige Schwierigkeiten zu meistern.

(Jan Werner, Dr. Michael Pötzsch und Andreas Würsig, BAM, Berlin) Bis zum Ende des Jahres 2012 war für Hersteller von Tankfahrzeugen (fachlich korrekt: fest verbundenen Tanks) sowie für Aufsetztanks zur Beförderung von Gefahrgütern der Klassen 3-9 die entsprechende Landesbehörde der gewohnte Ansprechpartner in Zulassungsfragen. Für die Zulassung ortsbeweglicher Tanks und Tankcontainer war indes die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zuständig, für Kesselwagen das Eisenbahnbundesamt (EBA).

Diese Zuständigkeiten waren historisch gewachsen und entsprechend in der GGVSEB und der RSEB (Anlage 14) dokumentiert. Hier sind auch Vorgaben zur einheitlichen Vorgehensweise bei der Baumusterzulassung festgelegt. Dennoch ist es leicht vorstellbar, dass bei bis zu 16 Landesbehörden sowie einer Bundesbehörde für nicht-schienengebundene Tanks diverse variierende Vorgehensweisen bei der Erstellung von Baumusterzulassungen auftreten können. Hinzu kommt die verwaltungstechnische Archivierung der Zulassungen und deren Fortschreibung im Bedarfsfall.

Für den Fall der Tankcontainer/ortsbeweglichen Tanks war und ist es üblich, viele identische Tanks in Serie herzustellen, die alle exakt einer Baumusterzulassung entsprechen. Insofern wurde bei der BAM eine Baumusterzulassung auch stets nur für einen Tanktyp ohne größere Variationsmöglichkeiten in der Konstruktion ausgesprochen, Nachträge gab es z.B. für Varianten der Ausrüstung oder der zu befördernden Gefahrgüter.

Bei Tankfahrzeugen hingegen bestellt ein Kunde eine feste, meist geringe Anzahl an Fahrzeugen für den momentanen, unter Umständen sehr speziellen Einsatzzweck, die er entsprechend seines individuellen Anforderungskatalogs anfragt. Ein weiterer Kunde fragt beim Hersteller eine geringfügig veränderte Variante (Tanklänge, -durchmesser, -werkstoff usw.) an, die aber weitestgehend mit der des ersten Kunden übereinstimmt. Ein dritter Kunde variiert wiederum andere Parameter und so weiter und so fort. Es ist also nicht davon auszugehen, dass zwei oder mehr Kunden das gleiche Fahrzeug bestellen.

Um im Wettbewerb bestehen und diesen Kunden kurzfristige Angebote unterbreiten zu können, war es bei den Tankfahrzeugherstellern zu Zeiten der Länderzulassungen üblich, eine möglichst weit gefasste Baumusterzulassung zu erhalten und diese über einen kurzen bürokratischen Weg per Nachtrag zu erweitern oder zu verändern. Hierdurch entstanden mitunter Tankfahrzeuge im „Baukastenprinzip“. Dies geschah im Allgemeinen in enger Abstimmung zwischen dem Hersteller, der entsprechenden Prüfstelle sowie den zuständigen Mitarbeitern der Landesbehörde. Dass sich hier über viele Jahre von Landesbehörde zu Landesbehörde voneinander leicht abweichende Herangehensweisen entwickelten, ist nachvollziehbar. So entstanden Konstrukte von Baumusterzulassungen, die über 20 Jahre oder länger mehrfach neu gefasst bzw. verlängert sowie über diesen Zeitraum mit beliebig vielen Nachträgen (Varianten) „aufgebohrt“ wurden. Ein typisches Beispiel ist eine Zulassung, von der der 12. Nachtrag zur 3. Neufassung existiert; wie viele Nachträge zur ursprünglichen Zulassung sowie zur 1. und 2. Neufassung existieren, ist schon nicht mehr so einfach ersichtlich. Hier wird schnell klar, dass es schwierig nachzuvollziehen ist, ob der Tank des Fahrzeugs X auch tatsächlich der Baumusterzulassung Y entspricht und anders herum.

Im Rahmen der internationalen Rechtsfortentwicklung entstand im ADR/RID 2011 im Unterabschnitt 6.8.2.3.3 die Forderung der Überprüfung aller gültigen Baumusterzulassungen auf Erfüllung der zugrunde liegenden technischen Vorschriften. Bei Nicht-Übereinstimmung müssen diese Zulassungen durch die zuständige Behörde zurückgezogen werden. Dies betrifft grundsätzlich nur den weiteren Nachbau von Tanks, die einer Zulassung entsprechen. Die Weiterverwendung von Tanks ist indes im Kapitel 1.6 des ADR/RID geregelt. Ortsbewegliche Tanks gemäß Kapitel 6.7 sind hiervon nicht betroffen.

Die Überprüfungspflicht bedeutete einen deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand für eben jene zuständigen Behörden. Insofern erschien es verschiedenen Vertretern der Landesbehörden zulässig, über eine veränderte Zuständigkeit nachzudenken. Dies endete in einer mehrheitlichen Empfehlung des Bund-Länder-Fachausschusses Gefahrgut, die Zuständigkeit für Belange der Baumusterzulassungen von fest verbundenen Tanks und Aufsetztanks an die BAM als Bundesoberhörde zu übergeben, da hier ohnehin umfassende Erfahrungen in der Zulassungstätigkeit vorlagen. Dies bedeutete eine Konzentration aller Belange – also auch der Überprüfung der der Zulassung zugrundeliegenden technischen Vorschriften und ggf. Zurückziehen der Zulassung – auf eine Stelle.

Mit dem 1. Januar 2013 wurde somit per geänderter GGVSEB in § 8 die Zulassungszuständigkeit aller nicht-schienengebundenen Tanks auf die BAM übertragen.

Round Table mit Herstellern

Ausgehend von den beschriebenen, verschiedenen Vorgehensweisen bei der Baumusterzulassung musste ein „goldener Mittelweg“ in der weiteren Bearbeitung der Anträge auf Baumusterzulassung, Nachtrag oder anderer durch das Verwaltungsverfahrensgesetz möglicher Verwaltungsakte (siehe Info-Kasten) erdacht werden. Hierzu berief die BAM frühzeitig einen Round Table ein, zu dem sie Tankfahrzeughersteller und Vertreter von Prüforganisationen einlud.

Schnell wurde klar, dass das für Tankcontainer und ortsbewegliche Tanks bewährte, recht steife System der BAM auf die flexiblen Anforderungen der Tankfahrzeughersteller nicht zu übertragen war. Andererseits wollte die BAM ihre guten Erfahrungen mit eben diesem System nicht zu sehr aufweichen, auch aus Gründen der beschriebenen Unübersichtlichkeit der Varianten einer Baumusterzulassung. Hinzu kamen Fragen der Überprüfbarkeit verschiedener Baumusterkonstrukte gem. ADR/RID 6.8.2.3.3 sowie der Archivierung: Es war prinzipiell nicht vorstellbar, die Zulassungen, die ja eben auch diverse verschiedene Baumusterzulassungsnummernsysteme haben, gemeinsam zu archivieren und diese verschiedenen Systeme fortzuführen.

Der Kompromiss sah so aus: Noch gültige Zulassungen können unter ihren bisherigen Landeszulassungsnummern fortgeführt werden, bei Neufassung oder Änderung dieser Zulassungen werden allerdings durch die BAM neue Zulassungsnummern vergeben, die in einem einheitlichen System zusammengeführt werden. Nachträge zu den alten Landeszulassungen werden weiter unter den bestehenden Landes-Zulassungsnummern geführt.

Welchen Umfang an Varianten allerdings eine Baumusterzulassung haben kann und darf, blieb zunächst weiterhin problematisch. Die Bandbreite konnte quasi von der Zulassung für Firma X zur grundsätzlichen Zulassung zum Bau von Gefahrgut­tanks (also ein „allumfassendes“ Baumuster) bis zum in sämtlichen Parametern festgeschriebenen Tank reichen. Hier war die BAM – wiederum in enger Abstimmung mit Herstellern und Prüforganisationen – bestrebt, ein vernünftiges System zu entwickeln, welches den Fahrzeugherstellern einerseits die benötigte Flexibilität garantiert, andererseits aber auch klare Abgrenzungen aufzeigt. Im Ergebnis ist es nun beispielsweise möglich, verschiedene Varianten von Tankdurchmessern oder -längen in eine Baumusterzulassung aufzunehmen, auch artverwandte Werkstoffe (z.B. verschiedene austenitische Werkstoffe) lassen sich in einer Zulassung führen. Schwierig wird eine Zulassung für verschiedene Werkstofftypen (austenitische/ferritische Stähle) oder verschiedene Drücke. Aber auch verschiedene Arten von Tanks – fest verbunden (Tankfahrzeug), Tankcontainer, Aufsetztank – können nicht zusammen in einer Baumusterzulassung geführt werden.

Verschiedene Laufzeiten

Aus der Vorgabe des ADR/RID seit 2011, die gültigen Baumusterzulassungen regelmäßig auf ihre Übereinstimmung mit den ihnen zugrunde liegenden technischen Vorschriften zu überprüfen, sind darüber hinaus unterschiedliche Wege der Laufzeit der Zulassungen entstanden. Der Antragsteller kann heute wählen zwischen einer maximalen Laufzeit seiner Baumusterzulassung von zehn Jahren oder einer Verkürzung auf z.B. zwei Jahre (bis zur nächsten Regelwerksänderung). Für festgelegte Stückzahlen von Tanks kann auch eine Zulassung erstellt werden, die auf eine maximale Anzahl an Seriennummern begrenzt ist. Bei einer Laufzeit über die Übergangsfrist der nächsten Regelwerksänderung hinaus muss die Zulassung regelmäßig hinsichtlich der technischen Vorschriften überprüft werden. Dies bedeutet ein Mehr an verwaltungstechnischem Aufwand. Die hieraus entstehenden Kosten sind durch den Zulassungsinhaber zu übernehmen.

Grundsätzlich werden sämtliche neuen sowie alten, noch gültigen Baumusterzulassungen bei der BAM in einer Datenbank geführt, was den ersten Aufwand für die Recherche bei einer Änderung der jeweiligen technischen Vorschriften reduziert. Ein ggf. daraus resultierendes Zurückziehen der Zulassung zieht allerdings eine Bearbeitung der Akte der Baumusterzulassung nach sich. Vorstellbar bleibt weiterhin eine Aktualisierung der Zulassung auf die neuen technischen Vorschriften durch den Antragsteller und daraus resultierend eine Neufassung der Zulassung durch die BAM. Dies ist allerdings gesondert vor Ablauf der Zulassung bzw. vor Änderung der relevanten technischen Vorschrift zu beantragen.

Es wird bereits heute international darüber nachgedacht, den Rationalized Approach, durch den unter anderem die Zuständigkeiten für die Zulassung von Tanks für Gefahrgüter der Klasse 2 (Gase) sowie der weiteren in Anhang 1 der Richtlinie 2010/35 EU (TPED) genannten gefährlichen Stoffe unter Erfüllung von Auflagen zum Qualitätsmanagement auf die so genannten Benannten Stellen übertragen wurde, auch auf Tanks für die Klassen 1 und 3 bis 9 auszuweiten. Die Europäische Kommission will sich diesem neuen Ansatz jedoch nur unter der Maßgabe stellen, dass alle Zulassungsaufgaben des europäischen Gefahrgutrechts für Schiene und Straße diesem neuen Verfahren unterzogen werden. Das heißt, es beträfe dann nicht nur Tanks, sondern auch IBC und andere Umschließungen. Generell würde dies eine erneute Verschiebung hinsichtlich der Belange der Baumusterzulassungen und deren Änderungen auf die Benannten Stellen bedeuten, die dann auf Grundlage eines Konformitätsbewertungsverfahrens handeln. Ob und inwiefern dann eine erneute Übergabe von Zulassungen – an wen auch immer – erfolgen kann oder muss, ist derzeit offen.

(aus: gela 11/14, www.gefaehrliche-ladung.de)

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